Linken-Politiker über Franziskus und den Einfluss der Kirche

Gregor Gysis neue Aufgabe: "Den Papst verteidigen"

Veröffentlicht am 22.12.2017 um 12:45 Uhr – Lesedauer: 
Politik

Köln ‐ Dass sich ein Linken-Politiker nicht negativ über die Kirche äußert, ist an sich schon ungewöhnlich. Doch Gregor Gysi geht noch weiter. Er findet Papst Franziskus "geradezu fantastisch".

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Linken-Politiker Gregor Gysi (69) findet Papst Franziskus "geradezu fantastisch". Er stelle Menschheitsfragen und setzte sich wie das ursprüngliche Christentum für Gerechtigkeit ein, sagte Gysi am Freitag im Interview des Kölner domradio. Innerkirchlich stoße der Papst aber nicht bei allen auf Zustimmung, so der Rechtsanwalt. So habe er in einem Streitgespräch heftige Angriffe eines Klostervorstehers gegen Franziskus abwehren müssen. Gysi: "Das ist meine neue Aufgabe geworden: Den Papst verteidigen."

In einer Krise der katholischen Kirche hätten die Kardinäle in Franziskus den richtigen Papst gesehen, sagte der Politiker. "Nun haben sie ihn gewählt und sind teils trotzdem nicht zufrieden damit und stellen ihm ein Bein."

Gysi: Kirche kann Dinge nicht mehr verhindern

Für Gysi sind die Kirchen in der Lage, allgemeine Moralvorstellungen in der Gesellschaft zu verankern. "Wenn es sie nicht gäbe, würde das niemand tun." Zwar habe es vor Jahrzehnten auch die Linke geschafft, Moralvorgaben zu machen. Aber nach dem Scheitern des Staatssozialismus könne sie das nicht mehr allgemeinverbindlich tun, so der langjährige Fraktionsvorsitzende. "Deshalb wären wir jetzt ohne die Kirchen eine moralfreie Gesellschaft."

Allerdings sieht Gysi auch einen schwindenden Einfluss der Kirchen. Vor Jahrzehnten hätten sie noch Dinge verhindern können, was ihnen jetzt nicht mehr gelinge, sagte der Politiker und verwies etwa auf die Themen Abtreibungen, "Ehe für alle", künstliche Befruchtung oder Sterbehilfe.

Der Politiker plädierte für eine Trennung und "klare vertragliche Regelungen" zwischen Staat und Kirche. Der "Schadensersatz" für die vor 200 Jahren erfolgten Enteignungen der Kirchen "sollte langsam mal auslaufen"; es brauche eine Vereinbarung für die Staatsleistungen mit einer Auslauffrist von 10 bis 15 Jahren. Gysi wandte sich auch gegen den Kirchensteuereinzug durch das Finanzamt: "Das ist mir zu nah und zu eng." Umgekehrt benötigten die Kirchen Finanzen, um Krankenhäuser, Heime und andere Einrichtungen zu finanzieren. Der Staat erhebt für den Einzug der Kirchensteuer eine Gebühr. (KNA)