Standpunkt

Kirche - ein Abbruchunternehmen?

Veröffentlicht am 16.10.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der weltweite Missbrauchsskandal und ein Papst, der Abtreibung mit Auftragsmord gleichsetzt - darauf beziehen sich viele Menschen, wenn sie derzeit aus der Kirche austreten. Doch die wahren Gründe liegen viel tiefer, meint Volker Resing.

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Eine Freundin von mir hat neulich auf Twitter gepostet, dass sie aus der katholischen Kirche ausgetreten sei. Es täte gar nicht weh, vielmehr sei dies eine Befreiung gewesen. Wir haben nie darüber gesprochen, aber mir hat das einen Stich gegeben. Warum eigentlich? Gibt es nicht genug Gründe aus der Kirche auszutreten? Da irrlichtern missverständliche Papstäußerungen durch die Medien. Auch in Deutschland tragen bischöfliche Auftritte in der Öffentlichkeit gerade zumeist nicht zur inneren Stärkung bei. Zunächst war von einem Papst Franziskus zu hören, der die Kirche verändern werde. Nun ist zumindest bei grober Betrachtung doch von Aufbruch wenig zu spüren. Vielmehr wird die Kirche augenscheinlich erneut von einem Missbrauchsskandal durchgeschüttelt. Klerikalismus wird gegeißelt, aber die Jugendsynode ist im Kern doch ein Hochamt desselben.

Doch bin ich mir ziemlich sicher, dass deswegen meine Freundin gar nicht ausgetreten ist, es ist ein viel länger andauernder Entfremdungsprozess gewesen. Kirche hatte schon lange keine relevante Rolle mehr gespielt. Ein Freund sagte mir neulich, es gäbe für ihn auch noch andere Gründe, so habe er einen Schreck beim Blick auf den Steuerbescheid bekommen. Den Missbrauchsskandal nähmen doch viele dankbar als Grund zum Austritt an, da gäbe die Kirche zum Abschied doch wenigstens für den letzten Schritt noch die Absolution. Bei der derart desolaten Situation der Institution kann man keinem den Vorwurf machen, unüberlegt zu gehen. Und dann werden vielerorts auch noch Kirchen abgerissen, wie etwa wohl in Greven oder Ochtrup im Münsterland, Kirchengebäude, die Heimatgefühl im Konkreten wie im Spirituellen gegeben haben. Kirche - ein Abbruchunternehmen? Wer will da jemanden noch gerne aufhalten wegzurennen.

Aber ich mache mir selbst einen anderen Vorwurf. Über den Glauben an Gott haben meine Freundin und ich noch nie oder schon ganz lange nicht gesprochen. Das ist wirklich schmerzlich. So wichtig ist die Kirche zunächst mal auch nicht. Hauptsache, wir würden uns mal wieder über grundsätzliche Fragen austauschen. Wer weiß, wohin mich und uns das führen würde. Die Kirche muss endlich wieder lernen, dass es nicht allein um sie geht. Und die Gläubigen? Die müssen (wieder) lernen, dass Bischöfe und Päpste auch nicht das Wichtigste sind.

Von Volker Resing

Der Autor

Volker Resing ist Chefredakteur der Herder Korrespondenz.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.