"Eulenfisch"-Chefredakteur im katholisch.de-Interview

Religionspädagoge: "Gutenberg-Zeitalter" in religiöser Bildung zu Ende

Veröffentlicht am 17.11.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Limburg ‐ Wie kann man Schüler heute für religiöse Themen begeistern? Mit dieser Frage beschäftigt sich Martin Ramb als Religionspädagoge täglich. Im katholisch.de-Interview spricht er darüber, warum es wichtig ist, von Schulbüchern wegzukommen, und wie er sich religiöse Bildung in Zukunft vorstellt.

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Pädagogisch, inhaltlich und gestalterisch wertvolle digitale Bildungsangebote werden jedes Jahr mit dem renommierten europäischen "Comenius MediaEdu Siegel" ausgezeichnet. In diesem Jahr gehört auch das Internetportal des Limburger Magazins für Religion und Bildung, der "Eulenfisch" zu den Preisträgern. Im Interview spricht der Chefredakteur Martin Ramb darüber, was die Auszeichnung für ihn bedeutet.  

Frage: Zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Auszeichnung, Herr Ramb! Sie sagen, dass durch den Preis Ihre "innovative Pionierarbeit im Bereich religiöser digitaler Bildung" gewürdigt wurde. Was heißt das für Sie konkret?

Ramb: Wir sind schon eine ganze Weile im Bereich der religiösen Bildung unterwegs. Unser Magazin "Eulenfisch" gibt es seit 2008. Seitdem sind wir auch bei der Digitalisierung vorangekommen und haben viele Erfahrungen in dem Bereich gesammelt. Das Magazin ist mittlerweile das Fundament für das, was wir digital entwickeln. Da sind wir zurzeit ziemlich weit vorne, weil wir nicht erst in der Corona-Krise das Digitale entdeckt haben. Für uns hatte es schon lange eine große Bedeutung. Wir stehen gerade vor riesigen Transformationsprozessen und Umbrüchen, was die digitale Dimension von Bildung angeht. 

Frage: Und auf diesem Feld sehen Sie sich als Pioniere?

Ramb: Ja. An Universitäten und in anderen Schulabteilungen läuft auch vieles in diesem Bereich. Ich habe keinen Überblick über den gesamten deutschsprachigen Raum, aber im Vergleich zu dem, was ich kenne, sind wir sehr gut aufgestellt und entwickeln uns ständig weiter. Wir haben zum Beispiel Formate wie digitale Tutorials, sogenannten "eTorials", mit unterschiedlichen Medien entwickelt. Oder digitale Showcases. Das sind Formate für einen neuen Wissenstransfer, die wir selbst anstoßen. Im Feld religiöser Bildung werden Religionsunterricht, Erwachsenenbildung und Katechese nach wie vor zu stark versäult betrachtet. Wir denken diese Bereiche schon lange vernetzt, und dadurch entstehen viele neue Ideen. Wir glauben, dass das Gutenberg-Zeitalter in der religiösen Bildung seit einiger Zeit seinem Ende entgegengeht und wir unseren Bildungsauftrag deswegen im digitalen Raum erweitern müssen.

Frage: Was haben Sie denn gegen Bücher?

Ramb: Gar nichts! Ich bin ein großer Fan von Büchern, und die wird es sicherlich auch noch sehr lange geben. Aber darüber hinaus sollte man eben tiefer bohren und Inhalte anders erschließen, stärker individualisieren und so andere Nutzergruppen ansprechen. Im Grunde genommen ist unser Geschäft das gleiche wie bei einem Museum: Auch Museen sind oft Traditionshäuser, die an ihre Grenzen stoßen, wenn alles digitalisiert wird. Aber aus dem traditionellen Medium heraus kann man ganz viel schöpfen, digital weiterentwickeln und Mischformen, hybride Bildungsformate, ausbilden. Daraus ergeben sich dann wieder innovative Zugänge zu den ursprünglichen Formen. Die Medien sind letztlich ein Werkzeug, um religiöse Bildung zu vermitteln.

"Eulenfisch"-Chefredakteur Martin Ramb
Bild: ©Matthias Cameran/Eulenfisch

Er gehört zu den Gründungsmitgliedern des "Eulenfisch"-Magazins und ist heute Chefredakteur: Martin Ramb. Im Bistum Limburg leitet er die Abteilung für Religionspädagogik, Medien und Kultur.

Frage: Wie sehen solche multimedialen Formate konkret aus?

Ramb: Die Grundlage bilden bei uns zunächst unsere Magazintexte. Darüber hinaus gibt es Videos oder Podcasts, die dann online an bestimmte Artikel angebunden werden. Oder wir haben Unterrichtsmaterial, das in einer Suchmaschine zur Verfügung gestellt und dann mit Artikeln verknüpft und angeboten wird. So ist alles miteinander verbunden. Für diese nutzerfreundliche Aufbereitung sind wir letztlich auch ausgezeichnet worden. 

Frage: Was bedeutet es für Sie, dass Sie für ein religionspädagogisches Projekt mit einem weltlichen Preis ausgezeichnet wurden?

Ramb: Das hat uns schon ein wenig stolz gemacht. Wir sind zwar Bistumsmitarbeiter, machen das Projekt "Eulenfisch" aber zu einem großen Teil ehrenamtlich. Wir wissen, dass im Digitalbereich mitunter auch sehr viel Geld ausgegeben wird. Umso schöner, wenn man sich trotzdem gegen große Verlage durchsetzen kann und ausgezeichnet wird. Das ist in gewisser Weise auch ein sportlicher Reiz. Wir sind also happy.

Frage: In Schulen und anderen Einrichtungen wurde seit Beginn der Corona-Pandemie vieles digitalisiert, was vorher undenkbar war. Welche Veränderungen haben Sie bemerkt?

Ramb: Der Wunsch, digitale Angebote zu haben, ist wesentlich größer geworden. Vor Corona musste man stärkere Argumente vorbringen, um zu überzeugen, warum digitales Arbeiten so wichtig ist. Seit dem Ausbruch der Pandemie ist es selbsterklärend, dass man das braucht. Die Didaktik kann nach der Corona-Krise nicht mehr genauso ablaufen wie vor der Corona-Pandemie und die Diözesen brauchen dringend neue digitale Unterstützungssysteme für den Religionsunterricht. Man muss sich jetzt überlegen, wie die Religionspädagogenausbildung der Zukunft auszugestalten ist. Das sind alles Anstöße im Bereich des Digitalen, es wird dadurch aber auch nicht unbedingt einfacher. Das ist eben die Schattenseite und Ambivalenz dieser Entwicklung. Digitale Konzepte intelligent einzusetzen, fordert Kompetenzen, die erstmal entwickelt werden müssen. Das passiert nicht von jetzt auf gleich. Diese Herausforderung wird uns auch in den kommenden Jahren noch intensiv beschäftigen.

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Frage: Was ist denn heute besonders wichtig, wenn man Schüler für religiöse Themen begeistern und sie spannend und verständlich vermitteln möchte?

Ramb: Der Vorteil dieser Entwicklung ist, dass man vom klassischen Schulbuch wegkommt und individueller und emotionaler Inhalte vermitteln kann. So kann man besser auf die unterschiedlichen Wissensstände und das Lernverhalten der Schüler eingehen. Wenn man das gut macht, ist Religion ein großartiges Fach, das die Welt erschließen kann und mir einen Sinnhorizont für ein gutes Leben aufzeigt. Die Digitalisierung ist im Grunde genommen eine echte Chance für den Religionsunterricht, weil man beispielsweise durch Virtual oder Augmented Reality das Heilige Land "besuchen" oder eine Kathedrale "durchschreiten" kann. Das sind Dinge, die vorher überhaupt nicht denkbar waren.

Frage: Da sehen Sie also die Zukunft des Religionsunterrichts und der religiösen Bildung?

Ramb: Das ist sicherlich von großer Bedeutung. Das Gesagte gilt natürlich auch für alle anderen Fächer, aber der Religionsunterricht hat eine enorme inhaltliche Breite und bietet großartige Möglichkeiten der Vernetzung, zum Beispiel, was die Kultur angeht. Das müssen nicht immer Medien sein, die speziell für den Religionsunterricht entwickelt werden. Die Kunst besteht darin, das Gute auch anderswo aufzuspüren und dann auf eine intelligente Art und Weise in den Religionsunterricht einzubauen und die Lehrplaninhalte damit zu verbinden.

Frage: In Ihren Materialien wählen Sie einen interreligiösen Ansatz. Sehen Sie auch da die Zukunft des Religionsunterrichts?

Ramb: Absolut! Es wäre eine Verkürzung, die Welt nur aus unserer Perspektive zu sehen, und es ist immer interessant, auch eine andere Sichtweise zu hören – die man am Ende ja nicht unbedingt teilen muss. Aber das Fremde stößt häufig einen Lernprozess an. Ein Beispiel: Beim Thema Trinität denkt man jetzt nicht unbedingt an Interreligiosität. Wenn man das Thema aber beispielsweise aus einer muslimischen Perspektive betrachtet und deutet, gibt es interessante Ergebnisse, die auch den katholischen Religionsunterricht bereichern können. Ohne diesen Perspektivwechsel geht es nicht mehr, denn in den Schulen gibt es sehr oft Kinder aus unterschiedlichen Religionen und auch ohne konfessionellen Hintergrund. Der Religionsunterricht war schon immer der Ort, der Schüler über ihren Glauben sprachfähig gemacht hat. Und das sollte er auch in Zukunft bleiben.

Von Christoph Brüwer

Der "Eulenfisch"

Seit 2008 wird das Magazin "Eulenfisch" im Bistum Limburg produziert und erscheint halbjährlich. Im Laufe der Jahre hat sich mit "eulenfisch.de" darüber hinaus ein crossmediales Angebot gebildet, das verschiedene Kanäle und Medien miteinander verbindet. Hauptzielgruppe sind Religionspädagogen und Erwachsenenbildner.