Entspannung bitte! Mein Meditations-Selbstversuch

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Das Corona-Jahr 2020 ist an mir nicht ohne Spuren vorbeigegangen: Der Spagat zwischen Arbeit und Kind. Das zu-Hause-sein neben der immer vollen Spülmaschine. Ein Ohr am Radio, ob es vielleicht wieder neue Corona-Regelungen gibt. Und das stetige Einnorden des eigenen moralischen Kompasses, um zu klären, ob dieser Kontakt in Ordnung ist oder eben einer zu viel. Ich brauche Entspannung im Kopf und im Herzen! Das ist aber nicht so einfach mit Haushalt, Job und einem kleinen Kind.
So stoße ich bei meiner Suche nach Entspannung auf Meditation. Immer und überall soll man meditieren können, auch kleine Zeiteinheiten sollen völlig ausreichen. Die Ratgeber sind sich einig, dass man mit Meditation Stress reduzieren kann, gelassener ist und die innere Ruhe findet. Während meiner Ausbildung zur Yogalehrerin vor vielen Jahren habe ich erste Erfahrungen mit Meditation gemacht, aber nie eine eigene, häusliche Praxis entwickelt. Das will ich jetzt ändern.
Mein Mann und ich wollen das Experiment zusammen wagen. Jeden Tag wollen wir uns vor dem Zubettgehen einige Minuten nehmen, um zwar gemeinsam, dabei aber jeder für sich, zu meditieren.

Meditieren mit Hilfe einer App
Im Vorhinein habe ich schon alles Mögliche zum Thema gelesen, verschiedene Techniken recherchiert. Ich bin bestens vorbereitet. Innere Ruhe, ich komme! Für den Anfang laden wir uns eine App herunter und beginnen ein Einsteigerprogramm, mit dem man jeden Tag einige Minuten mehr eine geführte Meditation absolviert. Wir beginnen mit 5 Minuten. Kann doch nicht so schwer sein, fünf Minuten dazusitzen und zu atmen - denkt man.
In Wirklichkeit sind fünf Minuten so lang, dass ich neben dem tiefen Ein- und Ausatmen meine Einkaufsliste für die kommende Woche durchgehe, über die nächste Netflix-Serie nachdenke und angestrengt überlege, was in meinen Meditationsbüchern zum Thema Ablenkung stand. Am Ende habe ich also etwa 5x für jeweils wenige Sekunden meditiert. Immer wieder folge ich der angenehmen Stimme des Meditationsleiters und komme zur Atmung zurück. Immer wieder beginne ich von neuem und immer wieder schweife ich ab. Pling! Ein kleiner Gong beendet die erste Einheit.
Auch am nächsten Tag bin ich nach wenigen Atemzügen schon ganz woanders. Eigentlich überall, außer da, wo ich hin möchte: im Jetzt. Aber ich bin nicht frustriert. Ich will einfach immer wieder von vorne anfangen, egal wie oft.
Über den Körper zum Geist
Eine Woche später. Als ich mich nach einem anstrengenden Tag auf mein Kissen fallen lasse und mich aufrichte, spüre ich, wie mein Körper sich erdet. Augenblicklich bin ich ruhiger. Ich fühle mich irgendwie zu Hause in mir. Ein schönes Gefühl. So starte ich meine heutige Einheit. Sie gelingt mir nicht besser und nicht schlechter als die Tage zuvor und dennoch öffne ich nach 10 Minuten beschwingt die Augen und fühle mich vital. Als wären meine Akkus aufgeladen worden.
In den kommenden Tagen fühle ich mich sicher genug, ohne App zu meditieren und probiere mich durch verschiedene Techniken aus Büchern und Videos: Metta-Meditation, Kundalini-Methoden und der Rosenkranz. Wie vielfältig Meditation sein kann! So viele Wege zu mir selbst, einer muss der richtige sein. Während ich darüber nachdenke spannt sich mein Körper an. Habe ich etwas falsch gemacht?
Das Tief überwinden
Die nächsten Tage meditiere ich nicht. Als ich mich nach einigen Tagen wieder auf mein Kissen setze, bin ich nicht vorbereitet. Ich nehme lustlos nochmal meine App und wähle eine Meditationseinheit aus, die ich schon kenne: Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Und schon ist die Einheit zu Ende. Ich spüre in mich hinein und fühle mich gut. Als ich später darüber nachdenke, verstehe ich, dass meine Neugier auf immer neue Techniken einfach zu viel war. Auf dem Weg zu einem ruhigeren Selbst hatte ich das getan, was ich in meinem Alltag mache: einen Sprint eingelegt. Noch mehr, noch schneller, noch effektiver. Ich hatte mein Ziel von Ruhe und Entspannung aus den Augen verloren.
Was ich aus meinem Selbstversuch also gelernt habe: Irgendeine Energie hat das Meditieren. Die tägliche Zeit auf meinem Kissen hat mir viel gegeben, obwohl ich es 'nicht geschafft habe' bei mir zu bleiben, nicht zu denken. Aufpassen muss man, dass man sich die Zeitfenster nimmt, obwohl man in dieser Zeit ebenso gut die Wäsche waschen, Joggen gehen oder ein Instrument üben könnte. Darin liegt die eigentliche Kunst. Denn bei all diesen Dingen zählt das Machen mehr als das 'gut machen'.
Mein Mann hat übrigens nach 3 Tagen aufgehört. Einen Grund, sagt er, gebe es nicht dafür. Aber er will es nochmal versuchen. Vielleicht schon morgen.