Happy End für Mischlingshündin aus Rumänien

Tessy und ich: Wie ein "Corona-Hund" mein Leben verändert hat

Veröffentlicht am 17.05.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Spiritea

Bonn ‐ In der Corona-Krise haben sich viele Menschen ein Haustier zugelegt, so auch unser Autor. In einem sehr persönlichen Text erzählt er, wie die Hundedame Tessy sein Leben verändert hat – und warum sie sogar in einer Kirche herumschnüffeln darf.

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Habt ihr Freunde, Verwandte oder Bekannte, die im vergangenen Jahr "auf den Hund gekommen" sind? Wahrscheinlich schon, denn in der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach Haustieren und besonders Hunden enorm gestiegen. Kein Wunder, denn in einer so herausfordernden Zeit tut es einfach gut, sich nicht allein zu fühlen – und ab und zu einen feuchten Schmatzer im Gesicht zu spüren. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, denn auch ich lebe seit Beginn der Krise im März vergangenen Jahres mit einem Vierbeiner zusammen. Dabei ist Tessy eigentlich kein typischer "Corona-Hund": Meine Frau und ich wollten schon seit langem einen Hund, weshalb wir bereits im Januar 2020 mit der Suche nach einem neuen Mitbewohner begonnen haben. Die Ankunft von Tessy fiel schließlich zufällig mit dem Beginn der Pandemie zusammen.

Tessy ist schnell zu einem richtigen Familienmitglied geworden, denn die kleine Mischlingshündin ist (fast) überall dabei: Während der Arbeit im Homeoffice liegt sie in ihrem Körbchen neben dem Schreibtisch und döst so gemütlich vor sich hin, dass ich mich am liebsten dazulegen möchte. Beim Mittagsessen verkriecht sich Tessy unter dem Tisch – in der Hoffnung, dass eine Kleinigkeit für sie herunterfällt. Und zum Filmabend, bei dem die Herrchen Chips auf dem Sofa verspeisen, wird der Hundedame eine kleine Schale mit Vierbeiner-Popcorn kredenzt – eine kulinarische Spezialität, die mit ihrer ausgewogenen Schinken-Note sogar mir vorzüglich schmeckt. Diese und weitere "Leckerlis" erhält man beim Tiermarkt seines Vertrauens, der mir als neuem Hunde-Besitzer zu einem zweiten Zuhause geworden ist.

Tessy und Kirschblüten
Bild: ©Privat

Tessy ist überall dabei: Auch bei den Ausflügen ihrer Herrchen, wie hier zur Kirschblüte in der Bonner Altstadt.

Überhaupt hat sich mein Leben durch die neue Mitbewohnerin sehr verändert: Mein Alltag ist Dank des mehrmals täglichen Gassi-Gehens mit Tessy viel strukturierter geworden und ich bewege mich mehr als zuvor. Ich nehme meine Umgebung, das Wetter und die Jahreszeiten viel deutlicher wahr. Dabei komme ich mit anderen Spaziergängern wesentlich einfacher ins Gespräch, denn eine so süße Hündin ist ein wahrer "Ice-Breaker". Tessy ist mein erster Hund und durch die Sorge für dieses kleine, aber doch quirlige Lebewesen bin ich menschlich sehr gewachsen.

Kein leichtes Leben in Rumänien

Auch muss ich nun darauf achten, wohin ich Tessy mitnehmen kann: Einige Geschäfte erlauben das Betreten mit Hunden, andere nicht. In vielen Museen sind sie nicht erlaubt – so wie in den allermeisten Kirchen. Trotzdem hat Tessy schon einmal den Altarraum einer Kirche beschnüffelt, als wir zu Besuch bei einem befreundeten Priester waren. Eigentlich lässt er nach eigener Aussage nur Vierbeiner in das Gotteshaus, die das Kreuzzeichen können. Doch weil unsere Hündin das selbstverständlich nicht kann, machte er bei ihr eine Ausnahme – natürlich mit einem breiten Schmunzeln im Gesicht als Zeichen der Freude über seinen Witz.

Mein Eindruck ist, dass es Tessy in ihrer neuen Familie sehr gefällt: Sie hat einen gesunden Appetit, riecht bei jedem Spaziergang an den einschlägigen Stellen an den Hinterlassenschaften ihrer Artgenossen und respektiert meine Frau und mich als Anführer ihres "Rudels" – wobei jedoch nicht ich die Position des Alpha-Tiers einnehme. Die Zufriedenheit Tessys freut mich außerordentlich, denn sie hat kein leichtes Leben hinter sich: Sie stammt aus Rumänien und wurde dort wahrscheinlich als Welpe in eine Familie gegeben, wo sie stubenrein wurde – eine Aufgabe, die mir erspart geblieben ist. Dann mussten ihre Herrchen umziehen und ließen Tessy allein in der alten Wohnung zurück. Mit diesem Schock erkläre ich mir, dass sie mich immer tieftraurig anschaut, wenn ich sie für ein paar Minuten allein lassen muss, etwa um den Müll herunterzubringen.

Hündin Tessy
Bild: ©Privat

"Wo bleibt mein Fressen?" Ein Blick, den "Corona-Hündin" Tessy hervorragend beherrscht.

Schließlich wurde Tessy verwahrlost nach einigen Tagen in der Wohnung gefunden und nach Bistritz in eines der größten Tierheime Rumäniens gebracht. Dort wurde sie Gott sei Dank nicht getötet, sondern erhielt ihren Namen, viele Impfungen und wurde durch eine Tierschutzorganisation nach Deutschland vermittelt – wo sie von uns adoptiert wurde. Wegen der tragischen Geschichte von Tessy liegt vieles über ihre Vergangenheit im Dunkeln: Ihr Alter von fünf Jahren ist nur geschätzt und ihre Abstammung ist unbekannt, wobei sie wie eine Mischung von Spitz und Dackel aussieht.

An Tessys Geschichte schockiert mich, dass Menschen in der Lage waren, dieses zehn Kilogramm schwere Häufchen Leben einfach zurückzulassen und dem sicheren Tod auszusetzen. Ich kenne meine Hündin zwar erst seit etwas mehr als einem Jahr und weiß auch um ihre Macken, wie etwa das problematische Verhältnis zu anderen Hunden, die sie meistens laut anbellt. Aber ich würde es nicht über das Herz bringen, sie sich selbst zu überlassen. Mit ihren wunderschönen Augen und ihrer fröhlichen Art ist Tessy mir eine Gefährtin geworden, die ich nicht missen möchte.

Von Roland Müller