Gräberfund an Schule für indigene Kinder

Erneut Hunderte Leichen bei kanadischem Umerziehungsheim gefunden

Veröffentlicht am 24.06.2021 um 11:22 Uhr – Lesedauer: 

Regina ‐ Wieder sind bei einem Heim für Kinder aus indigenen Familien in Kanada Leichen in anonymen Gräbern gefunden worden. Es ist bereits der zweite Großfund in der Nähe von anfangs kirchlich betriebenen Einrichtungen. Eine Entschuldigung steht noch aus.

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Auf dem Gelände eines Umerziehungsheims für Kinder aus indigenen Familien in Kanada sind hunderte Leichen gefunden worden. Es handelt sich um die sterblichen Überreste von 751 Menschen, das ist der größte Fund dieser Art in Kanada bisher, wie verschiedene Medien am Donnerstag berichteten. Die nicht gekennzeichneten Gräber seien nahe der ehemaligen "Marieval Indian Residential School" in der Provinz Saskatchewan entdeckt worden.

"Ich rufe alle Kanadier auf, den First Nations in dieser sehr schwierigen und emotionalen Zeit beizustehen", twitterte Perry Bellegarde vom "Assembly of First Nations"; First Nations ist der offizielle Name der Indigenen in Kanada. Saskatchewans Erster Minister Scott Moe twitterte: "Es bricht einem das Herz bei dem Gedanken, dass so viele Kinder ihr Leben verloren haben, nachdem sie von ihren Familien getrennt wurden, weit weg von der Liebe und dem Trost, den nur eine Familie geben kann."

Der Vorsitzende der kanadischen Bischofskonferenz, Erzbischof Richard Joseph Gagnon, zeigte sich bestürzt. Er sei "traurig und verstört", twitterte er. Die Bischöfe unterstützten "in vollem Umfang" die laufenden Untersuchungen und wollten an der Aufklärung der Geschehnisse mitwirken.

Gegründet von katholischen Missionaren

Das mittlerweile geschlossene Heim wurde 1899 von katholischen Missionaren gegründet, 1969 übernahm die Regierung die Einrichtung. Zwischen 1863 und 1998 gab es in Kanada insgesamt 139 dieser Umerziehungsheime für Kinder aus indigenen Familien, um sie an die "christliche Zivilisation" heranzuführen. Die insgesamt mehr als 150.000 betroffenen Kinder durften in den Heimen ihre Muttersprache nicht sprechen und wurden oft misshandelt oder missbraucht.

Zuletzt wurden im Mai bei einem anderen Heim im westkanadischen Ort Kamloops durch Bodenradaruntersuchungen Überreste von 215 Kinderleichen gefunden. Die kanadische Regierung forderte schon damals eine Entschuldigung des Papstes für die Rolle der Kirche im Heimsystem. Bisher hat Papst Franziskus die Geschehnisse in den Heimen zwar bedauert, sich jedoch nicht dafür entschuldigt. Andere christliche Gemeinschaften, die ebenfalls am Heimsystem beteiligt waren, haben sich bereits entschuldigt. Die Aufarbeitung dauert noch an. (cph)

25.6., 10:50 Uhr: Zahl der Toten ergänzt

25.6., 13:30 Uhr: Ergänzt um Gagnon