Mainzer Oberhirte über Bischofsernennungen und die Beteiligung der Gläubigen

Kohlgraf: Ein Wahlkampf ums Bischofsamt ist für mich nicht vorstellbar

Veröffentlicht am 04.10.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Sollten sich Diözesanbischöfe in regelmäßigen Abständen vom Kirchenvolk wiederwählen lassen, um ihre Befugnisse zu legitimieren? Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf kann sich das nicht vorstellen. Im Interview mit katholisch.de erklärt er aber auch, wo er Reformen für möglich hält.

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Bischofsernennungen regeln in Deutschland die Konkordate: Entweder wählt das Domkapitel einer Diözese seinen neuen Bischof aus einer Dreierliste des Papstes oder umgekehrt der Papst aus den Vorschlägen des Domkapitels. Das Forum "Macht und Gewaltenteilung" des Synodalen Wegs fordert nun: mehr Transparenz, eine stärkere Beteiligung der Gläubigen und dass sich kirchliche Entscheidungsträger regelmäßig Wahlen stellen sollten. Aber ist das für einen Diözesanbischof realistisch? Katholisch.de hat mit dem Mainzer Bischof Peter Kohlgraf darüber gesprochen.

Frage: Bischof Kohlgraf, der Grundlagentext des Macht-Forums beim Synodalen Weg fordert, dass kirchliche Entscheidungsträger nicht nur vom Volk mit-, sondern auch regelmäßig wiedergewählt werden sollen. Sie selbst haben das für das Bischofsamt kritisiert. Warum?

Kohlgraf: Kritisch sehe ich es dann, wenn ich mir Mehrheiten im Volk Gottes suchen muss, um zum Bischof gewählt zu werden. Denn dann werden diejenigen Bischof, die unbedingt Bischof werden wollen. Mit Blick auf meine Vita kann ich sagen, dass ich es nicht werden wollte. Ich habe erst nach der Wahl davon erfahren. Wenn ich darüber hinaus dann vielleicht auch noch alle vier Jahre wie ein Kanzlerkandidat durchs Land reisen und Mehrheiten suchen müsste, dann kann ich mir das für mich selbst, aber auch für das Bischofsamt allgemein nicht vorstellen. Auch, weil viele Prozesse in den Diözesen sehr langfristig und intensiv sind. Mit den anderen Thesen des Papiers – etwa Transparenz oder als Bischof Rechenschaft abzulegen – habe ich keine Probleme.

Frage: Langfristige und intensive Prozesse sind ja nun kein Alleinstellungsmerkmal der Kirche. Was unterscheidet den Bischof also dann von Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin?

Kohlgraf: Wie die Taufe oder die Firmung ist auch die Bischofsweihe ein Sakrament, das unauslöschlich ist und nicht nach vier Jahren verfällt.

Frage: Das behauptet auch keiner. Aber die Bischofsweihe und das Amt des Diözesanbischofs sind zwei unterschiedliche Dinge.

Kohlgraf: Das stimmt. Ich plädiere auch nicht für eine unendliche Regentschaft. Es ist für eine Diözese auch nicht immer gut, wenn sie 40 Jahre den gleichen Bischof hat. Eine zeitliche Begrenzung kann ich mir also durchaus vorstellen. Ich habe mich nur – etwas zugespitzt – gegen eine Amtszeit von vier Jahren mit anschließender Wiederwahl gestellt, wie sie bei uns in der Politik üblich ist. Allein schon die Wahlversprechen, die Kanzlerkandidaten machen und mehr oder weniger einhalten, finde ich für Bischöfe problematisch.

Bild: ©dpa/Arne Dedert

Peter Kohlgraf wurde im August 2017 zum Bischof von Mainz geweiht. Er selbst sagt heute: "Mit Blick auf meine Vita kann ich sagen, dass ich es nicht werden wollte"

Frage: Weil in der Politik auch Wahlversprechen gemacht werden, die nachher nicht eingehalten werden?

Kohlgraf: Das haben Sie jetzt gesagt. Aber ja: Das hört man manchmal. Außerdem binden solche Wahlkämpfe Energien und nehmen Freiheiten.

Frage: Würden Wahlkämpfe vielleicht auch die falschen Personen zu Bischöfen machen?

Kohlgraf: Die Kirchengeschichte zeigt, dass diejenigen, die von sich aus sehr nach dem Bischofsamt gestrebt haben, oftmals nicht die besten Bischöfe waren.

Frage: Eine Begrenzung der Amtszeit eines Diözesanbischofs gibt es dagegen eigentlich schon. Mit 75 muss dem Papst der Rücktritt angeboten werden. Wenn Ihnen vier Jahre nun zu wenig sind, könnte man die Amtszeit vielleicht auf zehn Jahre begrenzen?

Kohlgraf: Eine bestimmte Zahl anzugeben, halte ich nicht für sinnvoll. Für mich selbst kann ich sagen: Ich muss nicht bis zu meinem 75. Lebensjahr Bischof von Mainz sein. Ich hätte auch kein Problem damit, das Amt schon mit 70 oder 65 abzugeben.

„Gut vorstellen könnte ich mir, dass sich das Kirchenvolk an der Erstellung eines Persönlichkeitsprofils für den künftigen Bischof beteiligt.“

—  Zitat: Bischof Peter Kohlgraf

Frage: Und wie steht es um die grundsätzliche Beteiligung der Gläubigen an Bischofswahlen?

Kohlgraf: Dass es in der Geschichte sehr intensive Beteiligungsformen des Kirchenvolkes gab, weiß ich als Kirchenhistoriker nur zu gut. Da kann ich mir vorstellen, noch einmal intensiver nach Wegen zu suchen. Ich will die Gläubigen also keinesfalls aus dem Wahlverfahren raushalten.

Frage: Wie könnte die Beteiligung konkret aussehen?

Kohlgraf: Ich denke, dass diese Beteiligung teilweise jetzt schon stattfindet. Von meiner eigenen Wahl hat man mir berichtet, dass die verschiedenen Räte im Bistum Mainz in die Kandidatenkür mit einbezogen waren. Wenn es so war, dann war es damals schon ein großes Wunder, dass mein Name einerseits mit auf der Vorschlagsliste stand und ich andererseits nichts davon mitbekommen habe. Die entsprechende Diskretion, die bei einer Bischofswahl vorgesehen ist, hat hier also gut funktioniert. Ob das bei einer viel breiteren Beteiligung an der Wahl oder Kandidatensuche noch möglich ist, bezweifle ich allerdings.

Frage: Sind für Sie noch andere Beteiligungsformen bei Bischofsernennungen denkbar als die Befragung der Räte nach möglichen Kandidaten?

Kohlgraf: Gut vorstellen könnte ich mir, dass sich das Kirchenvolk an der Erstellung eines Persönlichkeitsprofils für den künftigen Bischof beteiligt. Auch Ziele für die Diözese ließen sich gemeinsam formulieren. Das hielte ich für einen guten Weg.

Von Björn Odendahl