Warum "mütend" nicht nur in diesem Jahr eine Adventsstimmung ist

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"Mütend" – diese Wortneuschöpfung aus "müde" und "wütend" ist eines der vielen Wörter, die durch die Corona-Pandemie salonfähig wurden. Und es beschreibt auch mein Gefühl in dieser Adventszeit sehr gut. Denn irgendwie will sich zwischen den erschreckenden Corona-Zahlen und Einschränkungen im alltäglichen Leben die Adventsstimmung nicht so recht einstellen. Zumindest dachte ich das.
Als ich mir die alttestamentlichen Bibellesungen für den Advent angeschaut habe, wurde ich stutzig. Denn sie treffen meine derzeitige Stimmung recht gut. Wenn man genau hinsieht, steht da nicht viel von der Mischung aus Besinnlichkeit, glückseligem (und leicht angeheitertem) Freudentaumel und Gemütlichkeit, die die Adventsstimmung für mich bisher ausmachten. Auch die Menschen in der Bibel sind mütend. Sie teilen mein aktuelles Entsetzen über die Welt, die Ungeduld und das Warten, dass endlich etwas passiert, was die Situation besser macht. Die Menschen hoffen, aus ihrer Misere befreit zu werden: "Der Herr ist dir gnädig, wenn du um Hilfe schreist; er wird dir antworten, sobald er dich hört. Auch wenn dir der Herr bisher nur wenig Brot und nicht genug Wasser gab, so wird er, dein Lehrer, sich nicht mehr verbergen." (Jes 30,19–20)

Eine zerbrochene Weihnachtskugel liegt auf dem Boden.
Diese Stimmung findet sich nicht nur in der Bibel selbst. Auch viele Adventslieder offenbaren auf den zweiten Blick eine ziemlich mütende Stimmung. Rorate-Messen beispielsweise sind der Inbegriff dessen, was gemeinhin als Adventsstimmung bezeichnet wird und was auch für mich bisher die Adventsstimmung ausmachte. Die Messen finden im Dunkeln bei Kerzenschein statt, sind gemütlich und stimmungsvoll. Doch selbst hier heißt es im namensgebenden Lied "Rorate caeli": "Wo ist dein leidenschaftlicher Eifer und deine Macht? Dein großes Mitgefühl und dein Erbarmen – sie bleiben mir versagt! Du bist doch unser Vater!"
Bedeutet das, dass wir uns im Advent in unserer Verzweiflung suhlen sollen? Nun ja, nicht ganz. Denn alle diese Texte sind von einem geprägt: Hoffnung. Darum geht es im Advent eigentlich. Wir hoffen auf den Retter und Erlöser und wissen zugleich, dass er kommen wird.
Keine heile Welt
Die Menschen, deren Stimme ich in den alttestamentlichen Lesungen höre, zeigen mir, dass ich mich aufregen darf, wenn mir danach ist. Sie schlucken ihre Wut und ihr Klagen nicht herunter. Ich muss nicht nur, weil Advent ist, so tun, als würde ich in einer heilen Welt leben. Ich habe eine Seite vom Advent entdeckt, von der ich bis jetzt dachte, sie dürfe gar nicht da sein.
In den offen ausgesprochenen Klagen schwingt immer auch die Erwartung mit, dass jemand mein Klagen hört und dass sich etwas ändern wird. Hier also die Warnung an meine Mitmenschen in diesem Advent: Ich werde mich auch weiterhin lautstark beschweren und meine mütende Stimmung kundtun. Zum Glück wissen wir, dass auch auf den mütendsten Advent irgendwann das Weihnachtsfest folgt.
"Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen hole ich dich heim." (Jes 54,7)
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