Wie halten es Scholz, Habeck und Co. mit der Religion?

Der erste konfessionslose Kanzler und sein Kabinett

Veröffentlicht am 11.12.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Bei seiner Vereidigung als Bundeskanzler verzichtete Olaf Scholz am Mittwoch auf den Gottesbezug. Auch in seinem Kabinett ist in konfessioneller Hinsicht manches anders als in früheren Regierungen.

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Bei der Vereidigung zum Bundeskanzler am Mittwoch blieb Olaf Scholz (SPD) seiner Ankündigung treu: Er verzichtete als zweiter Bundeskanzler nach Gerhard Schröder (SPD) auf den Gottesbezug in der Eidesformel. In Folge seines Austritts aus der evangelischen Kirche ist er der erste konfessionslose Regierungschef in Deutschland. Und auch in seinem Kabinett ist in konfessioneller Hinsicht manches anders als in früheren Regierungen.

Anders als bei CDU und CSU sind bei SPD, Grünen und FDP öffentliche Bekenntnisse von Politikern zu Kirchenzugehörigkeit oder Glaubensüberzeugung seltener. Dabei äußern sich die einen gar nicht zur Gretchenfrage, andere sind kirchlich engagiert. Insgesamt spiegelt das "Fortschritts-Kabinett" in seinen unterschiedlichen Spielarten der Religionszugehörigkeit eine religiös plurale Gesellschaft und den schwindenden gesellschaftliche Einfluss der Kirchen wider. Vorherrschend ist der Bezug auf Werte oder Traditionszusammenhänge.

"Unser Land und auch ich sind vom christlichen Glauben geprägt."

So anerkennt Scholz bei aller Zukunftseuphorie des Koalitionsvertrags die Bedeutung der Herkunft: "Unser Land und auch ich sind vom christlichen Glauben geprägt." Für den protestantisch sozialisierten Hanseaten zeigt sich das wohl kaum zufällig im persönlichen "christlichen Arbeitsethos", wie er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte. Dagegen erwähnt der Koalitionsvertrag das Christentum an keiner Stelle. Kirchen und Religionsgemeinschaften werden unter weiteren zivilgesellschaftlichen Themen und Gruppen aufgeführt. Gesellschaftspolitisch bedeutet der Koalitionsvertrag zumindest für die katholische Kirche ein neues Zeitalter: Von der Bioethik über die Gleichstellungspolitik bis zum Lebensschutz tun sich Konfliktfelder auf. Anknüpfungspunkte sind hingegen in der Sozial-, Asyl- oder Umweltpolitik zu erwarten.

„Ich bin Organist und habe viele Jahre im Nebenamt Gottesdienste gespielt.“

—  Zitat: Verkehrsminister Volker Wissing

Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hatte bereits im Wahlprogramm auf Bezüge zum Evangelium hingewiesen: beim Klimaschutz als "Bewahrung der Schöpfung", beim Wert der Arbeit und einem gerechten Lohn sowie in der Friedenspolitik. Heil war Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags, und auf einem solchen traf er 1979 auch erstmals Helmut Schmidt (SPD). In der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" wünschte er seiner Partei und Konfession gut ökumenisch "ein wenig mehr katholische Heiterkeit".

Kirchlich engagiert ist auch Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Für ihren Einsatz zugunsten der jüdischen Gemeinschaft erhielt sie die Abraham-Geiger-Plakette. Für Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) scheint der protestantische Glaube hingegen eher eine Privatangelegenheit. So verbucht er auf seiner Website den Hinweis "Ich bin Organist und habe viele Jahre im Nebenamt Gottesdienste gespielt", unter der Kategorie "Skurriles".

Die Katholiken finden sich vor allem bei den Liberalen

Formal wird die neue Innenministerin Nancy Faeser (SPD) für Kirchen und Religionsgemeinschaften zuständig sein. Die Katholikin gilt kirchlichen Anliegen gegenüber als aufgeschlossen. Als ehemalige hessische SPD-Landesvorsitzende gratulierte sie dem Limburger Bischof Georg Bätzing sehr verbindlich zu dessen Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und wünschte ihm Gottes Segen und Erfolg beim Reformprozess Synodaler Weg.

Bemerkenswert, dass diesmal die Katholiken vor allem bei den Liberalen zu finden sind: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und seine Parteikollegin Bettina Stark-Watzinger geben beide in ihren biografischen Angaben auf der Bundestagwebsite an, römisch-katholisch zu sein. Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) gehörte bis zum 18. Lebensjahr dazu. Als Konfessionsloser will er sich heute aber nicht als "harter Atheist oder gar Kirchenfeind" verstanden wissen, wie er "Christ & Welt" sagte.

Bild: ©picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Neben Bundeskanzler Scholz sind auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne, l.) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) konfessionslos.

Zu den Ex-Katholiken gehört auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die bereits 1980 aus der Kirche austrat, weil sie deren Haltung zur Rolle der Frau ablehnte. Später profilierte sie sich in der polemischen Auseinandersetzung mit dem damaligen Augsburger Bischof Walter Mixa. Inzwischen ist sie Mitglied der Humanistischen Union. Ebenso kehrte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor einigen Jahren wegen des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche den Rücken.

Der Vizekanzler als "weltlicher Christ"

Der Vizekanzler sowie Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck (Grüne) bezeichnet sich hingegen "sozusagen" als "weltlicher Christ". Er habe "wohl zu viele Philosophen gelesen", um "im eigentlichen Sinn" glauben zu können, so Habeck. Wichtig sei ihm aber die "christliche Mitleidsethik", bekannte er der "Bild"-Zeitung. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist wiederum nach eigenem Bekunden zwar "nicht gläubig", aber trotzdem in der evangelisch-lutherischen Kirche, weil sie die Gemeinschaft der Kirche und ihr Engagement für gesellschaftliche und soziale Anliegen schätzt.

Mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gehört erstmals ein Muslim einer Bundesregierung an. Der Schwabe mit türkischem Migrationshintergrund rief mit prominenten Islamexperten wie Bassam Tibi oder Necla Kelek die "Initiative säkularer Islam" ins Leben, als Alternative zu religionskonservativen Verbänden und aus Sorge über Islamophobie. Ziel ist ein "zeitgemäßes Islamverständnis".

Von Christoph Scholz (KNA)