Standpunkt

Die Liturgie darf nicht zur Disposition gestellt werden

Veröffentlicht am 28.06.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Gestern wurden die Kirchenaustrittszahlen des vergangenen Jahres veröffentlicht. Doch Pater Max Cappabianca beunruhigt zudem eine weitere Zahl: die der massiv zurückgegangenen Gottesdienstbesucher. Ist wirklich Corona daran schuld?

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In jedem Jahr sorgt die Veröffentlichung der kirchlichen Statistiken für sorgenvolle Falten bei Bischöfen wie Kirchenvolk. Insbesondere die Kirchenaustrittszahlen geben Anlass zur Sorge: 359.338 Menschen traten 2021 aus der Kirche aus, 137.948 mehr als im Vorjahr. Für die Gemeinden vor Ort ist aber eine andere Zahl noch spürbarer: Der Rückgang des Gottesdienstbesuchs!

Nur 4,3 Prozent der katholischen Kirchenmitglieder besuchte im vergangenen Jahr am Sonntag noch einen Gottesdienst. Das ist noch einmal weniger als im Vorjahr (2020: 5,9 Prozent), und weniger als die Hälfte als vor der Pandemie  (2019: 9,1 Prozent).

Dieser Rückgang sorgt für Verunsicherung in den Gemeinden. Ist das alles nur Corona-bedingt, wie die Deutsche Bischofskonferenz in ihrer Pressemitteilung kommentiert, oder erodiert hier etwas, das vorher schon in Auflösung begriffen war? Selbst einstmals hoch Engagierte haben die Pandemie offenbar zum Anlass genommen, sich vom Gottesdienstbesuch zu verabschieden.

Bei den Priestern und anderen, die Gottesdiensten vorstehen, macht sich Frust breit: Sie haben das Gefühl, die Zeche zahlen zu müssen für die Kirchenkrise und all die Skandale, für die sie in Haft genommen werden. Und das obwohl sie sich um ansprechende Gottesdienste und zeitgemäße Predigten bemühen. Wie mit dieser Situation umgehen?

Die theologische und religionssoziologische Forschung ist schon seit Jahren dabei, den Umbau der Sozialgestalt von Kirche wissenschaftlich kritisch zu begleiten und zu deuten. Die Ergebnisse verdienen, stärker zur Kenntnis genommen zu werden – zur Entlastung der Akteure in der Pastoral, aber auch um eine Bündelung der Kräfte zu ermöglichen.

Gleichwohl gehört Gottesdienstfeiern auch weiterhin zum Kerngeschäft von Religion. Daher braucht es eine Rückbesinnung auf die theologischen Grundlagen von Liturgie, damit dieser Grundvollzug christlichen Glaubens nicht vorschnell zur Disposition gestellt wird.

Und es braucht eine innerkirchliche Kultur des Umgangs mit diesen Umbauprozessen, um Schuldzuweisungen und wenig hilfreichen Frust zu vermeiden. Das hilft den in der Pastoral Tätigen, an die ursprüngliche missionarische Begeisterung anzuknüpfen und Suchenden den Gottesdienst als etwas zu vermitteln, das für das christliche Leben zutiefst relevant ist.

Von Pater Max Cappabianca

Der Autor

Der Dominikaner Max Cappabianca ist Leiter der Katholischen Studierendengemeinde Hl. Edith Stein in Berlin.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.