Standpunkt

Wir müssen unser Zusammenleben neu denken

Veröffentlicht am 18.01.2023 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Neue Zahlen zeigen: Die Ungleichheit in der Gesellschaft wächst – in Deutschland und weltweit. Andrea Hoffmeier mahnt eine neue Debatte zum Zusammenleben an, losgelöst von Parteipolitik und ideologischen Zuschreibungen.

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Zum Start des Weltwirtschaftsforums in dieser Woche mahnt Oxfam eine andere Verteilung zwischen Arm und Reich an. Während die Krisen Milliardären riesige Vermögenszuwächse bescherten, stieg die weltweite Ungleichheit: 26 Billionen US-Dollar fielen seit dem Jahr 2020 an 1 Prozent der Menschheit – 16 Billionen US-Dollar an die restlichen 99 Prozent. Anstelle einer höheren Besteuerung großer Gewinne planen drei Viertel der Regierungen in den nächsten fünf Jahren, ihre Ausgaben im öffentlichen Sektor, etwa im Bildungs- und Gesundheitswesen, zu kürzen. Zugleich hungert schon jetzt etwa jeder Zehnte in der Welt.

In Deutschland sieht die Bilanz ähnlich aus: 81 Prozent des gesamten Vermögenszuwachses von 2020 bis 2021 flossen an das reichste Prozent. Währenddessen stieg die Anzahl der Armen in der Pandemie um 600.000, auf 13,8 Millionen Menschen – die Folgen der Energiekrise noch nicht eingerechnet. Diese Zahlen zeigen, dass es so nicht weitergehen kann!

Trotzdem finden sich in aktuellen gesellschaftlichen Debatten kaum Mehrheiten für eine andere Güterverteilung. Während die von Armut Betroffenen kaum Ressourcen haben, Änderungen einzufordern, stützt die Mehrheit des Mittelstandes ein "Sozialmodell", das auch ihnen gefährlich werden könnte. Klein- und mittelständische Firmen gehen oft in Debatten um Großkonzerne und globale Gewinner intuitiv in die Verteidigung, selbst wenn sie gar nicht gemeint sind und ihnen ein Systemwechsel gleichfalls nützen könnte.

Die anstehenden Herausforderungen – in Deutschland und weltweit – können nur gelingen, wenn Gesellschaften und Wirtschaft gerecht, sozial und ökologisch nachhaltig gestaltet sind. Gesellschaften mit zu großen sozialen Spaltungen droht demokratische und wirtschaftliche Instabilität. Wir müssen losgelöst von Parteipolitik und ideologischen Zuschreibungen endlich beginnen, unser Zusammenleben neu zu denken, zum Wohle von uns allen. Friede ohne Gerechtigkeit gibt es auf Dauer nicht, auch nicht für die Wohlhabenden.

Von Andrea Hoffmeier

Die Autorin

Andrea Hoffmeier ist Akademiedirektorin der Thomas-Morus-Akademie Bensberg.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.