Reaktionen aus der Kirche auf den Wahlerfolg der AfD

Keine Alternative

Veröffentlicht am 02.09.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Sachsen

Dresden ‐ Fast zehn Prozent – das Wahlergebnis, das die Alternative für Deutschland (AfD) am Sonntag bei der Landtagswahl in Sachsen erreicht hat, ist beeindruckend. Und man muss Parteichef Bernd Lucke mit Blick auf diesen Erfolg wohl zustimmen, wenn er sagt, dass die AfD nun "endgültig in der deutschen Parteienlandschaft angekommen" sei.

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Doch auch nach der Wahl in Sachsen wissen viele Menschen nicht, für welche Inhalte die AfD steht, welche Politik sie tatsächlich machen möchte. Klar ist nur: Sie ist längst keine Ein-Themen-Partei mehr. Zwar kämpft die Vereinigung immer noch leidenschaftlich gegen den Euro und die Rettungspolitik der Bundesregierung. Doch je mehr die Währungsproblematik in den vergangenen Monaten aus den Schlagzeilen verschwunden ist, desto stärker hat sich die AfD anderen Themen zugewendet.

Der Dresdner Bischof Heiner Koch hat mit Blick auf das inhaltliche Profil der jungen Partei trotzdem noch viele Fragen. "Mein Problem ist, dass ich nicht erkennen kann, wofür die AfD steht", sagte Koch am Montag gegenüber katholisch.de. Er könne sich nicht erklären, warum die Partei fast zehn Prozent erreicht habe, obwohl es "eine solche Unklarheit bei den Positionen" gebe, so der Bischof. Auch Politikwissenschaftler tun sich bislang schwer, die AfD als neue Kraft im Parteiensystem der Bundesrepublik eindeutig zu verorten.

Protest-Milieu und rechter Rand

Immerhin: Klar ist, dass die Partei, die sich selbst als "konservative Volkspartei" bezeichnet, rechts von der CDU steht, ein konservatives Protest-Milieu hinter sich vereinigt und immer wieder auch am äußeren rechten Rand fischt. Dies zeigt sich auch bei einem Blick in das 24-seitige Wahlprogramm der sächsischen AfD . Das Papier setzte neben Familie und Bildung einen Schwerpunkt auf rechtskonservative Themen wie Zuwanderung, Integration und innere Sicherheit. Erschreckend: Immer wieder benutzt die Partei dabei Formulierungen, die an die rechtsextreme NPD erinnern oder durch die Zeit des Nationalsozialismus historisch eindeutig belegt sind.

Heiner Koch spricht vor Journalisten.
Bild: ©KNA

Der Kölner Weihbischof Heiner Koch wurde am 18.01.2013 zum Bischof der Diözese Dresden-Meißen ernannt.

So fordert die AfD in der Präambel des Programms "Gerechtigkeit statt Gleichschaltung" - ein unpassender historischer Vergleich, der für die erzwungene Umformung des politischen und gesellschaftlichen Lebens in der NS-Zeit steht. Auch darüber hinaus spielt die Partei mit Begriffen aus dem rechtspopulistischen Wortschatz. So ist im Wahlprogramm von einer "Bankendiktatur" und "Integrationsfolklore" die Rede; Politiker, die sich für die Euro-Rettung eingesetzt haben, werden als "dünne Schicht von Technokraten" bezeichnet.

Nationalistisch durchtränktes Programm

An anderen Stellen wiederum ist das Wahlprogramm der AfD deutlich nationalistisch durchtränkt. So fordert die Partei unter dem Programmpunkt "Identität" beispielsweise das Absingen der deutschen Nationalhymne bei feierlichen Anlässen, eine "Umgewichtung des Geschichtsunterrichts" zur Stärkung der eigenen Nationalidentität, ein Ende der "Gender- und Gleichstellungsideologie" sowie einen höheren Anteil deutschsprachiger Titel in Rundfunk und Fernsehen.

„Ich kann nicht erkennen, wofür die AfD steht.“

—  Zitat: Bischof Heiner Koch

Auch Verschwörungstheorien kommen im Wahlprogramm vor. In den Augen der Partei ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland manipulativ, "menschenfeindliche Ideologien" wie der "verquere Genderismus" sollen den Bürgern mit aller Macht aufgezwungen und die Familie als "natürliche Grundeinheit der Gesellschaft" herabgesetzt und verhöhnt werden. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die AfD die Begriffe Freiheit, Demokratie und Wohlstand "zu Worthülsen verkommen" sieht.

Unappetitliche Aussagen zur Zuwanderung

Besonders unappetitlich sind jedoch die Aussagen der AfD zu den Themen Zuwanderung und Integration. Die Partei beklagt eine "ungesteuerte Einwanderung über Familiennachzug, Duldungsmechanismen und durch laxe Auslegungen des Asylrechts". Sie fordert, eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu unterbinden, straffällig gewordene Asylbewerber zügig in ihre Herkunftsländer zurückzuführen und Qualifikationsangebote für "deutsche Arbeitslose" auszubauen.

Das Panorama von Dresden mit Frauenkirche und der katholischen Trinitatis-Kathedrale.
Bild: ©Miredi/Fotolia.com

Das Panorama von Dresden mit Frauenkirche und der katholischen Trinitatis-Kathedrale.

Integration sieht die AfD vorrangig als Aufgabe derjenigen, die sich integrieren sollen. Wer das nicht tut, muss mit harten Strafen rechnen: Unentschuldigtes Fehlen, Stören oder verweigerte Mitarbeit bei verpflichtenden Sprachkursen sollen durch empfindliche Kürzungen der Sozialleistungen sanktioniert werden.

Mit Volldampf ins heimelige, nationale Nest

Aus dem AfD-Programm für Sachsen setzt sich somit nach und nach das Bild einer Partei zusammen, die mit Volldampf zurück ins heimelige, nationale Nest möchte, die Zuwanderung vor allem als Gefahr sieht und die bei dem Versuch, sich von den etablierten Parteien abzugrenzen, verbal immer wieder über die Stränge schlägt.

Vor dieser Mischung hatte vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr auch Erzbischof Robert Zollitsch gewarnt. Der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz verweigerte der Partei seinen Segen und bezeichnete die Mitglieder in einem Interview als " ein paar Nostalgiker ", von denen er hoffe, dass sie nicht in den Bundestag einzögen. Diese Hoffnung hat sich damals bewahrheitet – spätestens nach dem Erfolg in Sachsen muss nun jedoch eine intensivere inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD geführt werden.

Von Steffen Zimmermann

Bischof Wolfgang Ipolt über die AfD

Nach der Landtagswahl in Sachsen hat sich auch der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt gegenüber katholisch.de über die Alternative für Deutschland (AfD) und den Wahlerfolg der Partei geäußert: "Die Euro-kritische Haltung der AfD sehe ich mit Sorge. Wir sollten uns freuen, dass wir 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Frieden in Europa miteinander leben und die Völker in Europa sich einander immer mehr annähern. Langsam kommt das Europa der Regionen zum Vorschein. Wenn jetzt wieder jemand Grenzzäune ziehen will, dann ist das ein Punkt, den ich auf keinen Fall befördern will. Insgesamt ist die AfD für mich noch eine undurchschaubare Mischung von Positionen. Ich bin mir noch nicht klar, worin die "Alternative" bei der AfD besteht."