Haben die Kirchen die Debatte um Paragraf 218 schon genug im Blick?
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Die Ampelkoalition hat, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ein Projekt auf den Weg gebracht, das ihr offensichtlich sehr wichtig ist: Die "reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin" soll neu bestimmt werden. Dabei soll der Schwangerschaftsabbruch "außerhalb des Strafrechts" neu geregelt werden – einzelne Akteure fordern eine komplette Abschaffung des Paragrafen 218. Für das Projekt wurde nun eine Kommission eingesetzt, übrigens ohne Beteiligung der Kirchen, und sie soll ein breites Spektrum von Fragen behandeln – manche befürchten, dass der Paragraf 218 eher nebenbei und schnell geändert werden soll.
Um den bisherigen Paragrafen gab es ein jahrzehntelanges Ringen. Er ist ein Kompromiss, der zum einen grundlegenden Ansprüchen der Frau, zum anderen dem Lebensrecht des Kindes und damit auch dem möglichen Widerstreit beider gerecht werden will – wie alle Kompromisse hat auch er eine paradoxale und nicht ganz befriedigende Seite. Das Bundesverfassungsgericht hat 1993 dazu die wesentlichen Argumente vorgelegt. Die verpflichtende Beratung ist zum einen präventiver Lebensschutz für das Kind, zum anderen will sie die Schwangere davor schützen, von anderen zur Abtreibung gedrängt zu werden.
Haben die Kirchen schon genügend bemerkt, was da im Gange ist? Eine Grundlage unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts, damals durchaus mit einiger Akzeptanz eingeführt, ist durch verschiedene Umstände fraglich geworden und soll nun eher schnell substanziell verändert werden. Wird dem "reproduktiven Selbstbestimmungsrecht der Frau" hier nicht allzu schnell und mit einiger Ideologie Vorrang vor dem Lebensrecht des Embryos gegeben?
Die Abschaffung des Paragrafen 218 würde wohl dazu führen, dass Abtreibungen bis kurz vor der Geburt des Kindes erlaubt sind und als normale Leistung des Gesundheitssystems gelten. Niemand will einen Kulturkampf zu dieser Thematik wie in den USA, aber wo bleibt in der Breite unserer Gesellschaft das sehr grundsätzliche Abwägen des Menschenbildes, der Werte usw. in dieser extrem heiklen Frage? Wo bleibt die kritische Diskussion des Vorhabens der Ampel? Und müssten nicht die Kirchen – Akademien, Fakultäten, Beratungsinstitutionen, katholische Büros ... – schon längst und noch viel deutlicher hierzu die Debatte führen?
Der Autor
Pater Stefan Kiechle SJ ist seit 2018 Chefredakteur der Zeitschrift "Stimmen der Zeit". Zuvor leitete er sieben Jahre die Deutsche Provinz des Jesuitenordens.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.