Theologe Söding: Zu viele Bremser bei Reformprozess der Kirche
Vor dem Hintergrund der steigenden Austrittszahlen in der katholischen Kirche hat der Theologe Thomas Söding erneut Reformen angemahnt. An organisatorischen wie personellen Konsequenzen innerhalb der Institution "führt kein Weg dran vorbei", sagte der Vize-Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin. Söding verwies dabei auf den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland, der fortgesetzt werden müsse. Es gebe viele Initiativen, die darin weiter an Reformen arbeiten wollten, "aber die Prozesse sind zu langsam, es gibt zu viele, die bremsen".
Gleichzeitig äußerte sich der ZdK-Vize optimistisch, dass der zur Fortführung geplante Synodale Ausschuss nicht am Geld scheitern werde. Vier Bischöfe, unter ihnen der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, hatten in der vergangenen Woche die vorgesehenen Finanzmittel für den Ausschuss blockiert. Die Finanzierung über den Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) hätten die 27 Ortsbischöfe einstimmig beschließen müssen. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) sei "an dieser Stelle verkantet", so Söding. – Am Mittwoch hatte die Bischofskonferenz die Kirchenstatistik für das Jahr 2022 vorgelegt. Demnach traten im vergangenen Jahr rund 522.000 Menschen in Deutschland aus der Kirche aus – so viele wie noch nie zuvor.
Religionssoziologe: Katholische Kirche befindet sich in Teufelskreis
Nach Aussage des Freiburger Religionssoziologen Michael Ebertz befindet sich die katholische Kirche in einem Teufelskreis. Die Gründe dafür, dass die Mitglieder in Scharen wegliefen, verstärkten sich gegenseitig und führten zu einer Abwärtsspirale, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Kirche enttäusche die Erwartungen der Menschen zwar immer wieder, könne aber noch gegensteuern. Die Menschen hätten noch Erwartungen an die Kirche. Im Moment bestehe in der Kirche jedoch kein Wille, diese zu sehen. Der Teufelskreis des Mitgliederschwunds beginne mit immer knapper werdenden personellen und finanziellen Ressourcen, wodurch die Qualität der kirchlichen Angebote leide, sagte Ebertz. Darunter leide auch die Qualität der Kirche als Arbeitgeber. Allerdings gebe es Menschen für die offenen Stellen: zum Beispiel Frauen oder verheiratete Männer für das Priesteramt. Diese wolle die Kirche jedoch nicht haben, sagte Ebertz. Sie blockiere sich dadurch selbst.
Außerdem leide die Kirche an "Visionslosigkeit". Die Führungsriege habe keine positive Idee, wie die Kirche in der Zukunft aussehen solle, sagte Ebertz. Stattdessen bekämpfe man sich gegenseitig auf offener Bühne und spreche sich das Katholischsein ab. Zudem schaffe es die katholische Kirche nicht, die Menschen, die ein Interesse an ihren Angeboten haben, einzubinden, sagte er. Sie würden durch die schlechte Qualität kirchlicher Angebote und den Personalmangel sogar zurückgewiesen. Beispiele seien Sammeltaufen, unpersönliche Beerdigungen oder Requien für ein anonymes Kollektiv von Verstorbenen.
Diese Probleme allerdings sehe man in der katholischen Kirche gar nicht, weil sie sich nur mit sich selbst beschäftige. Ein Blick von außen, der dringend notwendig sei, sei unerwünscht, kritisierte Ebertz. Die Kirche sei wie ein Karussell, dass sich immer weiterdrehe, und niemand sehe die Menschen, die draußen stünden und mitfahren oder es erneuern wollten. Man dürfe die Austritte der Menschen aus der Kirche jedoch nicht missverstehen, sagte der Religionssoziologe. Es gebe gesellschaftlich nach wie vor ein hohes Bedürfnis nach Begleitung in der Sinngebung des Lebens. Genau dafür sei die Kirche zuständig. Die Menschen erwarteten von ihr, dass sie Hoffnung in den Krisen der Gegenwart stifte. (tmg/KNA/epd)
