Papst kam Fernández bei Beschäftigung mit Missbrauchs-Thema entgegen

Künftiger Glaubenspräfekt: Darum habe ich Amt zunächst abgelehnt

Veröffentlicht am 03.07.2023 um 13:11 Uhr – Lesedauer: 

La Plata ‐ Der Glaubenspräfekt ist einer der einflussreichsten Kirchenmänner. Am Wochenende beförderte Papst Franziskus einen engen Vertrauten auf diesen Posten. Doch dieser hatte das Amt zunächst abgelehnt – und erklärt nun, warum er schließlich doch zusagte.

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Der künftige Präfekt des Glaubensdikasteriums, Erzbischof Víctor Manuel Fernández, hat offengelegt, dass er seine Beförderung an die Spitze der Vatikan-Behörde zunächst abgelehnt hatte. "Papst Franziskus hat mich mit dieser Ernennung überrascht", schreibt Fernández in einem Brief an die Gläubigen seiner Erzdiözese La Plata in Argentinien, der am Samstag auf der Internetseite des Erzbistums veröffentlicht wurde. "Ich bin einen Monat lang sehr unruhig gewesen, weil ich keine Lust hatte zu gehen", so Fernández. Er sei als Erzbischof von La Plata sehr glücklich und habe gedacht, "jetzt habe ich alles, ich kann noch 15 Jahre glücklich hier leben". Fernández leitet die argentinische Erzdiözese seit fünf Jahren.

Ein weiterer Grund für seine zunächst ausgesprochene Ablehnung sei die Beschäftigung des Glaubensdikasteriums mit den Missbrauchsfällen in der Kirche gewesen, schreibt der Erzbischof weiter. "Dieses Thema schmerzt und beschämt uns alle und ich fühle mich nicht ausreichend dazu befähigt oder ausgebildet, so etwas zu leiten." Franziskus zunächst ein Nein zurückzumelden habe ihn betrübt, so Fernández. Der Papst sei schließlich schon in fortgeschrittenem Alter und benötige Menschen in seinem Umfeld, denen er vertrauen könne.

"Wie ein Fisch im Wasser"

Franziskus bat ihn schließlich erneut um die Übernahme der Leitung des Glaubensdikasteriums, als er sich im Juni für eine Operation im Krankenhaus befunden habe. "Wie hätte ich da Nein sagen können", schreibt Fernández über seine Zusage an den Papst. Das Kirchenoberhaupt sei ihm zudem darin entgegengekommen, dass er sich nicht schwerpunktmäßig mit dem Thema Missbrauch werde befassen müssen. Franziskus habe ihm gesagt, in der Behörde gebe es ein Team von Spezialisten für diese Thematik, das sehr gut und weitgehend autonom arbeite. Der Umgang von Férnandez mit Missbrauch in seiner Erzdiözese steht in der Kritik.

"Was er benötigt, ist ein Präfekt, der mehr Zeit darauf verwenden kann, womit sich das Dikasterium laut seinem Namen beschäftigt: 'die Lehre des Glaubens'." Diese Aufgabe bestehe laut Fernández darin, das christliche Denken zu befördern, die Glaubenswahrheiten zu vertiefen und sich mit den großen Themen des Glaubens im Dialog mit der Welt und den Wissenschaften zu beschäftigen. "Diese Aufgabe erfreut mich, ich fühle mich dazu fähig, so wie ein Fisch im Wasser." Die Glaubensbehörde habe sich in der Vergangenheit mit der Denunzierung von Fehlern und der Verfolgung von Häretikern beschäftigt, weshalb sie "für viele der Terror" gewesen sei. Franziskus habe ihm jedoch zugesichert, dass "das harmonische Wachstum die christliche Lehre effektiver schütze als jeder Kontrollmechanismus", so Fernández über das heutige Verständnis der Arbeit des Dikasteriums. Der Papst hatte sich mit diesen Worten in der Nachricht geäußert, die der Vatikan zur Ernennung des neuen Glaubenspräfekten am Samstag veröffentlicht hatte.

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Auch eine Bleibe für die Zeit als Leiter des Dikasteriums habe er schon, so Fernández: Eine Woche nach seiner Zusage habe Papst Franziskus ihn gebeten, sich eine Wohnung im Vatikan anzusehen. Sie sei mit einer Terrasse und Gartenblick ausgestattet. "Er sagte mir: 'Du kommst aus Río Cuarto, vom Land, und brauchst einen weiten Blick, musst viel Grün sehen.'" Daran könne man das Feingefühl von Franziskus ablesen, so Fernández. Er werde bis Anfang August in Argentinien bleiben und kurz nach seiner Abschiedsmesse am 5. August nach Rom abreisen.

Fernández wurde 1962 geboren und gilt als enger Vertrauter von Papst Franziskus. 2009 bis 2018 war er Rektor der Päpstlichen Katholischen Universität Argentiniens und wirkte 2007 an der Fünften Lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Aparecida mit. 2013 wurde Fernández von Papst Franziskus zum Titularerzbischof ernannt, 2018 zum Erzbischof von La Plata. Er war Mitglied des Päpstlichen Rates für Kultur und Konsultor der Kongregation für das katholische Bildungswesen. Derzeit ist er Mitglied des Dikasteriums für Kultur und Bildung. Fernández wird auch als "Ghostwriter" des Papstes bezeichnet, da er an der Erstellung zahlreicher Texte von Franziskus beteiligt gewesen sein soll. In der Mitteilung zur Ernennung wird sein umfangreiches theologisches Werk gewürdigt, das mehr als 300 Publikationen umfasst. "Diese Schriften zeugen von einer wichtigen biblischen Grundlage und einem ständigen Bemühen um einen Dialog zwischen Theologie und Kultur, Evangelisierungsauftrag, Spiritualität und sozialen Fragen."

In der argentinischen Presse wird Fernández oft mit seinem Spitznamen "Tucho" genannt. Diese Anrede, die über den Freundeskreis des Erzbischofs hinausgeht, bezieht sich auf den in Argentinien legendären Fußballspieler Norberto "Tucho" Méndez (1923-1998), der in den 40er- und 50er-Jahren als Stürmer für die Clubs Huracán und Racing spielte. "Tucho" gewann drei Mal die Copa América, die Südamerikameisterschaft im Fußball. (rom)