Standpunkt

Um den Seelenzustand der Seelsorgenden steht es nicht gut

Veröffentlicht am 16.11.2023 um 00:01 Uhr – Von Oliver Wintzek – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das negative Image der Kirche legt sich wie Mehltau auch auf die Seelen derer, die für sie arbeiten, kommentiert Oliver Wintzek. Er fragt: Wird in den Verwaltungsetagen wahrgenommen, dass viele Hauptamtliche am Ende ihrer Kräfte und Motivation sind?

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Ein Theologiestudium ist mehr als eine Ausbildung für einen Seelsorgeberuf. Erfreulicherweise verzeichneten wir in diesem Semester an der Katholischen Hochschule in Mainz eine gestiegene Zahl neuer Studierender, die offensichtlich Interesse an Theologie haben – auch die Möglichkeit, Theologie in Teilzeit zu studieren, stößt auf rege Resonanz. Und all das, obwohl das Label "katholisch" mehrheitlich negative Assoziationen provoziert. Wer möchte schon unvermeidbar mit Missbrauch, diskriminierenden Parallelwelten, autokratischen Strukturen und vormodernen Inhalten identifiziert werden?

Es ist mir bewusst, dass dies in der konkreten kirchlichen Seelsorge in der Regel keine Rolle spielt – und doch legt sich das negative Image wie Mehltau auf die seelische Verfasstheit der im pastoralen Alltagsgeschäft Stehenden. "Mütend" hat Christiane Florin diese Gestimmtheit bezeichnet: müde und wütend. Daneben treten angesichts struktureller Großpfarreien, die aus der Not des wachsenden Personalmangels geboren sind, nicht selten Zukunftsängste und die Furcht vor entwurzelnden Vereinsamungen vor Ort oder durch aufgenötigte Stellenwechsel.

Es steht um den Seelenzustand der Seelsorgenden nicht gut. Wird in den Verwaltungsetagen wahrgenommen, dass viele der Hauptamtlichen nahe am Ende ihrer Kräfte und Motivation sind? Dienst nach Vorschrift und das Zählen der Tage bis zur Zurruhesetzung sind fatale Überlebensstrategien. Theologische Kompetenz – meine Verpflichtung als Theologieprofessor, diese zu vermitteln –, die eine dringend notwendige Reformrosskur zu begründen weiß, wiegt bei allem Heroismus auf Dauer nicht auf, was viel zu lange auf sich warten lässt. Wo Entscheidungsträger (in der Tat nur Männer) ausbremsen, rhetorisch vernebeln oder die Machtkarte spielen, verkümmert nicht nur die Seelsorge, sondern auch die Seele. Kirchliche Präsenz blutet aus, weil Seelsorgende selbst ausbluten – meine Erfahrung als Pfarrer – und der Massenexodus das Seinige dazu breiträgt, dass Unmotivierte niemanden mehr motivieren.

Mögen meine Studierenden zeitnah eine andere Situation erleben – und die jetzigen Seelsorgenden ihre Seele retten!

Von Oliver Wintzek

Der Autor

Oliver Wintzek ist Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule in Mainz. Zugleich ist er als Kooperator an der Jesuitenkirche in Mannheim tätig.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.