Der bisherige Umgang der EKD mit ihrer Missbrauchsstudie irritiert
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Vor gut einem Monat wurde die große Missbrauchsstudie für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) vorgestellt. Darin war von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern die Rede – sowie davon, dass diese schrecklichen Zahlen sehr sicher nur die "Spitze der Spitze des Eisbergs" seien. Als wäre das nicht schon schlimm genug, wurde der evangelischen Kirche in der Untersuchung ein verheerendes Zeugnis für ihren Umgang mit den Missbrauchsfällen ausgestellt. Lange Zeit habe es dafür keine verbindlichen Regeln gegeben, und auch der Umgang mit den Betroffenen sei nicht gut gewesen, so die Forscher.
Für die EKD, die sich im Vergleich mit der katholischen Kirche gerne für die bessere Kirche hält, war die Studie ein Desaster – das bislang allerdings ohne wirkliche Konsequenzen geblieben ist. Wer dachte, dass die Untersuchung Schockwellen auslösen würde, sieht sich jedenfalls getäuscht. Jenseits teilweise allzu floskelhafter und ritualisiert klingender Betroffenheitslyrik war von führenden Vertretern der EKD seit der Veröffentlichung der Studie kaum etwas zu hören. Und auch an der evangelischen Basis ist es merkwürdig still. Proteste oder gar Reformforderungen waren dort bislang nicht auszumachen.
Das verwundert umso mehr, als die evangelische Kirche doch eigentlich durch das katholische Beispiel gewarnt seien müsste. Denn klar, als Katholik sitzt man in Sachen Missbrauchsaufarbeitung im Glashaus. Das heißt aber ja nicht, dass man nicht trotzdem oder gerade deswegen die Hoffnung haben durfte, dass es die evangelische Kirche vor allem auch kommunikativ besser machen würde. Doch bislang: nichts davon. Verantwortliche verweisen darauf, dass die Aufarbeitung – die vor allem im sogenannten Beteiligungsforum stattfinden soll – ja jetzt erst beginne. Doch reicht das als Reaktion auf die Ergebnisse der Untersuchung wirklich aus? Hätte es gegenüber der Öffentlichkeit nicht längst kraftvollere Signale – wie etwa eine von manchen geforderte Sondertagung der EKD-Synode – gebraucht?
Natürlich, die Präsentation der Untersuchung ist erst einen Monat her, und seriöse Aufarbeitung braucht in der Tat viel Zeit. So wie die EKD bislang öffentlich mit der Studie umgegangen – oder besser: nicht umgegangen – ist, entsteht jedoch der Eindruck, dass sie kommunikativ und institutionell ähnliche Fehler macht, wie sie die katholische Kirche schon vor ein paar Jahren gemacht hat.
Der Autor
Steffen Zimmermann ist Redakteur im Korrespondentenbüro von katholisch.de in Berlin.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.