Standpunkt

Wer Feiertage genießen kann, sollte auch Tanzverbote ertragen können

Veröffentlicht am 27.03.2024 um 00:01 Uhr – Von Ricarda Menne – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die jährliche Debatte um das Tanzverbot an Karfreitag ist laut Ricarda Menne ein Platzhalter für die Frage, wieviel Religion in einer säkularen Gesellschaft zumutbar ist. Christen und Kirchen müssten sich damit verstärkt auseinanderzusetzen.

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Und jährlich grüßt das Murmeltier: Der Karfreitag naht – und mit ihm die Frage, ob das Tanzverbot an den sogenannten "stillen Tagen" noch zeitgemäß ist. Vor wenigen Tagen erst hat der Senat der Stadt Hamburg das Tanzverbot am Karfreitag gelockert: Wer am Gründonnerstag abends in die Disco oder auf die Reeperbahn geht, kann bis fünf Uhr in der Frühe tanzen und feiern, danach in Ruhe ausschlafen – es ist ja ein arbeitsfreier Feiertag –, irgendwann Aspirin und Rollmops frühstücken und ab Mitternacht wieder auf die Piste gehen.

Wenn man die Diskussionen um das Für und Wider des Tanzverbots an den stillen Tagen verfolgt, könnte man allerdings meinen, es ginge um Leben oder Tod oder zumindest, als hinge die Freiheit und Lebensqualität daran, an 365 Tagen im Jahr ausgelassen feiern zu können. Die alljährliche Karfreitags-Tanzverbot-Diskussion und manche – in meinen Augen pubertär anmutenden – Alternativen oder Gegenveranstaltungen wie der "Car-Freitag" oder "Heidenspaß-Parties" sind ein Platzhalter für die Frage, wie viel Religion in einer säkularen Gesellschaft zumutbar ist.

Als Christen und Kirchen werden wir uns verstärkt damit auseinandersetzen müssen, dass wir mit unserer Religion (noch) von Privilegien zehren, die in der jahrhundertelangen Verzahnung von Kirche, Staat und Gesellschaft und in der Religionsfreundlichkeit unseres Grundgesetzes wurzeln aber gesamtgesellschaftlich nicht mehr selbstverständlich sind. Ein Blick über den deutschsprachigen Raum hinaus zeigt: Christsein funktioniert auch ohne gesetzliche Feiertage und Tanzverbot.

Allerdings bleibt auch eine Anfrage an diejenigen, die mit Verweis auf die Trennung zwischen Staat und Kirche und auf unsere plurale, säkulare Gesellschaft das karfreitägliche Tanzverbot als Zumutung empfinden und Religion zur reinen Privatsache erklären, die in der Öffentlichkeit nichts verloren habe: Wer ist bereit, um dieser Trennung willen konsequent über den "tanzfreien" Karfreitag hinauszuschauen: auf den arbeitsfreien Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, 1. und 2. Weihnachtstag? Kurz: auf ihrem Ursprung nach religiös beziehungsweise christlich geprägte Feiertage, die auch dem säkularsten Zeitgenossen ein paar arbeitsfreie Tage schenken.

Ich denke, wer diese arbeitsfreien Tage genießen kann, sollte als erwachsener Mensch auch in der Lage sein, das karfreitägliche Tanzverbot zu ertragen.

Von Ricarda Menne

Die Autorin

Ricarda Menne ist Lehrerin für Englisch, Geschichte und katholische Religion.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.