"Optimisten leben länger"
Frage: Frau Oster, wann ist ein Mensch glücklich?
Oster: Er ist dann glücklich, wenn seine Bedürfnisse nach Nahrung, Schlaf, Liebe, Wertschätzung, Sicherheit und Entwicklung erfüllt sind. Dies hat der niederländische Glücksforscher Ruut Veenhoven, der Direktor der weltgrößten Glücksdatenbank, herausgefunden.
Frage: Welchen Stellenwert nimmt dabei der Aspekt Entwicklung ein?
Oster: Einen großen, denn Menschen fühlen sich dann besonders wohl, wenn sie körperlich oder geistig gefordert sind. Aktive sind glücklicher als Faule. Auf allen Ebenen beweglich zu sein, zahlt sich also aus.
Frage: Wo sind Menschen am glücklichsten? Gibt es länderspezifische Unterschiede?
Oster: Ja, Ruut Veenhoven hat das durchschnittliche Glücksempfinden von Menschen in 91 Ländern ermittelt und herausgefunden: Dänen, Schweizer und Isländer gehören zu den glücklichsten Menschen in Europa.
Frage: Woran liegt das?
Oster: Die Bürger dieser drei Länder leben in materieller Sicherheit, haben eine zuverlässige Regierung, die ihren Bürgern ein hohes Maß an Mitbestimmung einräumt. Die sozialen Unterschiede sind gering und Männer und Frauen weitgehend gleichberechtigt.
Frage: Auch uns Deutschen geht es im Verhältnis zu vielen anderen Ländern gut. Warum jagen viele dem Glück hinterher, ohne es wirklich zu finden?
Oster: Wir versäumen immer wieder, den Augenblick auszukosten und in der Gegenwart zu leben, weil unsere Gedanken schon weit voraus sind. Damit begeben wir uns aber in eine Sackgasse. Denn wir wissen ja nicht, wie wir auf bestimmte Ereignisse emotional reagieren werden, ob sie uns überhaupt glücklich machen. Die Studienergebnisse des amerikanischen Glücksforschers Daniel Gilbert, Professor für Psychologie an der Harvard-Universität, besagen, dass Menschen die Intensität und Dauer ihrer Gefühle beim Eintreffen bestimmter Ereignisse überschätzen. Haben sie ihr Ziel erst mal erreicht, werden sie in den meisten Fällen feststellen, dass die Freude geringer und weniger anhaltend ist, als sie sich das ausgemalt hatten.
Frage: Was können wir stattdessen tun?
Oster: Wir sollten uns um mehr Gelassenheit und Leichtigkeit im Alltag bemühen und uns nicht zu viele Sorgen um die Zukunft machen. Glückliche Menschen haben auch Sorgen und Probleme, aber sie können besser damit umgehen. Dieser Optimismus tut auch der Gesundheit gut. Amerikanische Forscher haben in einer Langzeitstudie mit 7.000 Personen herausgefunden, dass Optimisten länger leben. Ein Ergebnis der Studie: Über einen Zeitraum von 40 Jahren hatten Pessimisten ein 42 Prozent höheres Risiko, früh zu sterben.
Frage: Kann man denn Gelassenheit im Alltag trainieren?
Oster: Ja, denn sie ist keine angeborene Eigenschaft, sondern eine Haltung, die meist mit zunehmender Lebenserfahrung wächst. Es zahlt sich aus, Gelassenheit zu üben, sich immer wieder selbst daran zu erinnern, wie wirkungsvoll es ist, ruhig zu bleiben. Denn gelassene Menschen sind erfolgreicher. Sie strahlen innere Ruhe und Ausgeglichenheit aus, haben Vertrauen in sich selbst, sind authentisch und haben es nicht nötig, sich zu verstellen oder zu prahlen. Wer sich selbst im Griff hat, hat in der Regel auch die Situation im Griff.
Frage: Gibt es typische Eigenschaften glücklicher Menschen?
Oster: Ja, Glückliche haben in der Regel viel Eigeninitiative. Sie sind kontaktfreudig, selbständig, gehen Probleme konstruktiv an und sind so widerstandsfähiger gegen Stress.
Frage: Was könnten wir uns in puncto Glück fürs neue Jahr vornehmen?
Oster: Achtsamkeit ist wichtig: eine Arbeit nach der anderen erledigen, konzentriert bei der Sache bleiben und nicht schon wieder mit den Gedanken woanders sein, regelmäßige Pausen einlegen: Alles – sogar Arbeit - trägt zur Entspannung bei, wenn man sich darauf konzentriert, was gerade ansteht. Wer sein Gedankenkarussell nie anhält, steht ständig unter Druck, fühlt sich zerrissen und unglücklich. Denn er kann sich weder erholen noch seine Arbeit erledigen, hat eine eingeschränkte Wahrnehmung und verpasst dabei die vielen kleinen Glücksmomente, die das Leben so kostbar machen.
Das Interview führte Margret Nußbaum.