Die katholische Kirche muss mehr Spiritualität wagen
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"Aber seien Sie nicht traurig, wenn bei so einem Thema nicht viele kommen", sagte der Leiter der Erwachsenenbildung am Telefon zu mir. Er hatte mich angefragt, einen Vortrag zu einer spiritualitätstheologischen Frage zu halten. "Respekt, dass er sich trotzdem dafür entscheidet", dachte ich. Immer wieder wird gesagt, dass in der Kirche für dezidiert spirituelle Themen keine große Nachfrage existiere. Die logische Folge: Es wird auch weniger angeboten ("Kommt ja eh keiner."). Um dann wiederum zu schließen, dass hier nicht so viel Interesse bestünde. So wird die Diagnose manchmal zur "self-fulfilling prophecy". Daraus resultiert, dass Kirche vielfach schon gar nicht mehr als Anbieter auf dem spirituellen Markt wahrgenommen wird, der etwas Relevantes für meine persönliche Sinnsuche anzubieten hätte.
Bei Vorträgen und Glaubenskursen mache ich eine andere Erfahrung. Dort erlebe ich, wie wertvoll es ist, Gesprächsräume über den Glauben und die eigene Lebensdeutung zu öffnen. Menschen teilen, wie sie Gott in ihrem Leben erfahren haben – auf dem Jakobsweg, durch eine inspirierende Person, bei Exerzitien … Sie erzählen, wo sie ihr Leben als Prüfung erlebt haben und wo sich etwas erstaunlich gut gefügt hat. Glaube und Kirche werden existentiell, zeigen ihre Relevanz, und zwar mitten aus dem Leben. Diese Geschichten berühren.
Ich bin überzeugt, dass die Kirche heute nicht weniger, sondern mehr Spiritualität wagen sollte. Zum einen, damit dadurch viele Menschen in ihrem Glauben, Hoffen und Lieben gestärkt werden. Und zum anderen, weil der Weg zu Gott individuell ist. Man sollte in diesem Bereich nicht zu stark kürzen. Es braucht die Vielfalt vom Kontemplationskurs über das Bibel-Teilen bis zum Lobpreis-Workshop, damit jede und jeder die Form finden kann, die sie oder ihn etwas mehr von dem Geheimnis Gottes ahnen und von seiner Liebe spüren lässt.
Die Autorin
Theresia Kamp hat Theologie und Romanistik studiert. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Pastoraltheologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und schreibt regelmäßig für verschiedene christliche Medien.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.