Mehr als Ring, Stab und Mitra

Dienst unter dem Evangelium: So läuft eine Bischofsweihe ab

Veröffentlicht am 30.11.2024 um 14:03 Uhr – Von Roland Müller – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wenn eine Diözese einen neuen Bischof bekommt, kann es sein, dass der neue Oberhirte nur Priester ist. Dann muss er vor seinem Amtsantritt die Bischofsweihe empfangen. Die Liturgie der letzten Stufe des Weihesakraments ist voller Symbole und Riten, die viel über den Dienst eines Bischofs verraten.

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Papst Franziskus, die allermeisten Kardinäle, die Botschafter des Papstes und die Leiter der Bistümer in aller Welt haben eines gemeinsam: sie sind Bischöfe. Weih-, Diözesan- und Erzbischöfe haben die gleiche Weihe empfangen und unterscheiden sich zwar hinsichtlich ihrer Amtsgewalt, nicht aber mit Blick auf ihre Weihe. Die Bischofsweihe ist die dritte und höchste Stufe des Weihesakraments und führt dazu, dass der Geweihte in das Kollegium der Bischöfe aufgenommen wird. Da die drei Stufen der Weihe aufeinander aufbauen, muss ein Kandidat für das Bischofsamt vor seiner Weihe bereits zum Diakon und zum Priester geweiht worden sein. Im Ablauf der Liturgie gleichen sich die drei Stufen des Weihesakraments größtenteils, auch wenn es wesentliche Unterschiede gibt, die sich theologisch und historisch erklären lassen. Das lässt sich vor allem an der Bischofsweihe ablesen, die die Vollform des Sakraments darstellt.

Bischöfe stehen in Nachfolge der Apostel

Wie auch bei den beiden vorangegangenen Weihestufen wird die Bischofsweihe im Rahmen einer Heiligen Messe gespendet, die nach Möglichkeit an einem Sonn- oder Feiertag in einer Kathedralkirche stattfinden soll. Zu Beginn der Liturgie wird der Kandidat vor den Weihespender geführt und es wird die Urkunde des Papstes verlesen, in der er den erwählten Geistlichen zum Bischof ernennt. Anschließend wird diese päpstliche Bulle in einem symbolischen Akt der anwesenden Gemeinde gezeigt, um zu belegen, dass die Weihe tatsächlich im Auftrag des Papstes stattfindet. In der katholischen Kirche ernennt nur der Papst die Bischöfe. Die Weihe in seinem Auftrag darf hingegen jeder Bischof spenden.

Bei einer Bischofsweihe müssen neben dem Weihespender noch mindestens zwei weitere Bischöfe als Mitkonsekratoren, also Mitweihende, anwesend sein. Dadurch soll die richtige Weitergabe des Hirtenamtes sichergestellt werden. Denn die Bischöfe stehen in der apostolischen Sukzession, einer langen Traditionslinie, die sich nach dem Glauben der Kirche bis zu den Jüngern Jesu erstreckt – auch wenn die apostolische Sukzession erst ab dem zwölften Jahrhundert als historisch gesichert gelten kann. Durch die Dreizahl der weihenden Bischöfe soll eine drohende Ungültigkeit der Bischofsweihe auch für den Fall verhindert werden, dass sich die Weihelinie eines der Konsekratoren als fehlerhaft herausstellt.

Die Insignien eines neuen Bischofs
Bild: ©KNA/Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Pool

Insignien eines Bischofs.

Doch es gibt auch historische Gründe für die Mehrzahl der weihenden Bischöfe: In den ersten Jahrhunderten der Christenheit versammelten sich nach dem Tod eines Bischofs dessen Amtsbrüder aus der gesamten Provinz am nun vakanten Bischofssitz, um die Wahl des Nachfolgers durch das Kirchenvolk zu leiten. Durch die Handauflegung nahmen sie den Erwählten in das Kollegium der Bischöfe auf. Das Auflegen der Hände steht im christlichen Gottesdienst als sakramentaler Ausdruck für die Übertragung des Heiligen Geistes – besonders bei der Firmung und beim Weihesakrament in seinen drei Stufen. Die Handauflegung vermittelt aber auch den göttlichen Segen und steht für die Besitzergreifung und Annahme durch Gott.

"Veni creator spiritus"

In der heutigen Liturgie folgt nach der Vorstellung des Kandidaten für die Bischofsweihe zu Beginn der Messfeier der Wortgottesdienst. Nach der Predigt, die meist vom konsekrierenden Bischof gehalten wird, findet die eigentliche Weihehandlung statt. Eröffnet wird dieser Teil mit der Herabrufung des Heiligen Geistes im Hymnus "Veni creator spiritus", in der deutschen Übersetzung "Komm, Heil'ger Geist, der Leben schafft". Anschließend legt der künftige Bischof sein Treueversprechen ab. Öffentlich bekundet er seine Bereitschaft, das Amt des Bischofs zu übernehmen, sich weihen zu lassen und das Evangelium zu verkünden. Er verpflichtet sich, den Glauben treu und unverkürzt weiterzugeben. Der Weihekandidat verspricht Gehorsam gegenüber dem Papst, Einheit mit dem Bischofskollegium und die Zusammenarbeit mit den Priestern und Diakonen sowie dem ganzen Volk Gottes.

Während die versammelte Gemeinde nun in der Allerheiligen-Litanei die Heiligen um Beistand für den Kandidaten anruft, folgt die "Prostratio" genannte Niederwerfung des künftigen Bischofs. Dabei legt er sich ausgestreckt mit dem Gesicht zum Boden vor den Altar. Diese Körperhaltung zeigt, dass sich der Kandidat ganz in Gottes Hände begibt – sie ist bei allen drei Weihestufen ein eindrucksvolles Zeichen der Hingabe. Nun folgt der zentrale Akt der Weihe: die Handauflegung. Der Hauptzelebrant und alle anderen anwesenden Bischöfe legen ihrem zukünftigen Amtsbruder schweigend die Hände auf und nehmen ihn damit in ihren Kreis auf. Das anschließende Weihegebet des Bischofs geht auf die "Traditio Apostolica" des Hippolyt zurück, eine Kirchenordnung aus dem dritten Jahrhundert. Bei der Bischofsweihe halten währenddessen zwei Diakone ein aufgeschlagenes Evangeliar über dem Haupt des nun geweihten Bischofs, das ihm zuvor kurz direkt auf den Kopf gelegt wurde. Diesen beeindruckenden Ritus gibt es nicht nur in der lateinischen Liturgie, sondern auch in den katholischen Ostkirchen. Das Evangeliar über dem Haupt soll ausdrücken, dass ein Bischof sein ganzes Leben und seinen Dienst unter das Evangelium stellt.

Bild: ©katholisch.de/ Madeleine Spendier

Das Haupt des neuen Bischofs wird mit Chrisam gesalbt, dem geweihten Öl, das auch bei der Taufe oder der Firmung verwendet wird

Nach diesem bedeutendsten Moment der Weiheliturgie folgen weitere sogenannte ausdeutende Riten. Sie sollen symbolisch aufzeigen, was einen Bischof ausmacht und was sein Amt bedeutet. So wird das Haupt des neuen Weihbischofs mit Chrisam gesalbt, dem geweihten Öl, das auch bei der Taufe oder der Firmung verwendet wird. Während bei der Priesterweihe die Innenflächen der Hände gesalbt werden, ist es bei einem Bischof seine Stirn. Damit soll an die Salbung der Könige und Priester im Alten Testament erinnert werden. Anschließend wird dem neuen Bischof das Evangeliar überreicht. Es ist ein Symbol dafür, dass es zu seiner Aufgabe gehört, das Evangelium zu verkünden. Daraufhin werden ihm die drei Zeichen des Bischofsamtes verliehen: Ring, Stab und Mitra. Der Ring steht dafür, dass der Bischof an die Kirche – und besonders seine Diözese – gebunden ist. Der Bischofsstab hat sich aus dem Hirtenstab entwickelt und symbolisiert die Leitungsfunktion des Oberhirten. Die Mitra lässt sich auf das biblische Buch Exodus zurückführen und betont unter Bezug auf die jüdischen Hohepriester die Würde des Bischofsamts. Zudem wird in der Regel auch das Brustkreuz überreicht.

Kein Bischof ohne Gläubige

Zum Abschluss der Weihehandlung ergreift der neue Bischof symbolisch Besitz von seiner Diözese, indem er vom Hauptkonsekrator zu seinem Platz geführt wird und sich dort niederlässt. Ist der Neugeweihte ein Diözesanbischof, ist dieser Sitz in der Regel der Bischofsstuhl, die sogenannte Kathedra. Mit dem Platznehmen auf dem Stuhl übernimmt ein Bischof die Leitung seiner Diözese mit allen Rechten und Pflichten und wird namentlich von jedem Priester der Diözese im Hochgebet der Eucharistiefeier genannt. Ein Weihbischof hat keine eigene Diözese, doch ihm wird vom Papst ein untergegangenes Bistum als Titularbistum zugewiesen. Dadurch soll ausgedrückt werden, dass es einen Bischof ohne Gläubige nicht geben kann. Ein Weihbischof wird an einen anderen Sitz im Altarraum neben der Kathedra geführt und setzt sich dorthin.

Nachdem er sich wieder erhoben hat, tauschen alle anwesenden Bischöfe als Zeichen der Gemeinschaft und Verbundenheit den Friedensgruß mit dem Neugeweihten aus. Anschließend konzelebrieren sie gemeinsam die Eucharistiefeier. Zum Abschluss des Weihegottesdienstes folgen nach dem Schlussgebet oftmals Ansprachen von Vertretern der Gläubigen, dem Sprecher des Priesterrats oder politischen Verantwortlichen. Auch der Geweihte drückt meist seinen Dank in einer kurzen Rede aus. In einigen Diözesen haben sich zudem lokale Besonderheiten erhalten. So überreicht im Erzbistum Paderborn bei der Gabenbereitung ein neugeweihter Bischof dem Konsekrator als Dank eine Kerze, die mit seinem Wappen verziert ist, sowie zwei Fässchen mit Wein und Brote. Dieser Brauch stammt aus dem Weiheritus vor der Reform der Weiheliturgie im Jahr 1968. Doch eine Sache findet zum Ende eines Gottesdienstes mit Bischofsweihe wohl in jeder Diözese statt – und dass, obwohl sie liturgisch nicht vorgeschrieben ist: Nach dem Gottesdienst begegnen sich der Geweihte und die Gläubigen bei einem Empfang, um sich gegenseitig besser kennenzulernen. Hier kann ein neuer Bischof beweisen, dass er ein Hirte ist, der sich unter seine Herde mischt und "den Geruch der Schafe" annimmt. Papst Franziskus hat mit diesem Bild in der Vergangenheit mehrfach beschrieben, wie er sich einen idealen Bischof vorstellt.

Von Roland Müller