Über den Wunsch, Karneval zu mögen

Ein Karnevalsmuffel auf dem Rosenmontagszug

Veröffentlicht am 02.03.2025 um 12:00 Uhr – Von Meike Kohlhoff – Lesedauer: 
Orte des Ungewissen: Teil IV

Bonn ‐ Betrunkene Menschen und fragwürdige Spezialitäten – mit Karneval kann Redakteurin Meike Kohlhoff wenig anfangen, obwohl sie im Rheinland aufgewachsen ist. Was sie bis zum letzten Jahr aber noch nie besucht hatte, war ein Rosenmontagszug. Ob sie das zum Karnevalsfan gemacht hat?

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Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich hasse Karneval nicht. Ich finde nur einige der Dinge, die damit einhergehen, befremdlich. Betrunkene Menschen, die im Kuhkostüm einem plötzlich wiedergefundenen Lokalpatriotismus frönen, obwohl sie den Rest des Jahres im Anzug in der Großstadt arbeiten und vor den Kollegen schlecht über ihr Heimatdorf reden zum Beispiel. Oder die Menschenmassen, die stundenlang in der Eiseskälte stehen, nur um aus schlechten Boxen Musik zu hören und rohes Mett zu essen, vor dem sie zwei Wochen später wieder die Nase rümpfen. 

Dabei möchte ich Karneval eigentlich mögen, denn der Gedanke dahinter, Statusunterschiede verschwinden zu lassen und gemeinsam zu feiern fernab aller Unterschiede, gefällt mir eigentlich. Und auch das christliche Fest dahinter finde ich schön, verweist es doch schon indirekt auf Ostern. Bevor 40 Tage vor der Auferstehung gefastet wurde, mussten viele Nahrungsmittel verbraucht werden. Also hat man zusammen ein prächtiges Mahl verspeist, musiziert und getanzt. Bei diesem Karneval wäre ich gerne dabei gewesen.  

Erinnerungen an den Kinderkarneval

Apropos dabei gewesen: Bei all meiner Abneigung gegen das moderne Karnevalfeiern muss ich zugeben, so richtig hatte ich das mit dem Karneval bis zum vergangenen Jahr eigentlich noch gar nicht probiert. Ja, als Kind habe ich am kleinen Karnevalszug im Ort, der aus fünf Fußgruppen bestand und jedes Jahr wieder das Überthema "Fußball" hatte, teilgenommen. Welches Kind freut sich nicht über das Verkleiden oder Kamelle? Als Teenager dann ging man in die umliegenden Dörfer und auch mal ins Festzelt (das habe ich allerdings nur als sehr voll, übelriechend und voller Glasscherben am Boden in Erinnerung). Aber ich war in meinem ganzen Leben noch nie bei einem richtigen Rosenmontagszug und das sollte sich 2024 ändern. Man muss ja wissen, worüber man sich ärgert.  

Bild: ©dpa - Fotoreport/Ferdinand Ostrop

Bei Rosenmontagsumzügen ist es voll und laut.

Ich habe mich also mit ein paar Freunden getroffen, die ganz schockiert waren, dass ich nicht wie in jedem Jahr abgesagt habe. In der nächstgrößeren Stadt stellten wir uns früh genug an die Straße, um einen guten Blick auf die Wagen zu haben. Diesen Platz mussten wir bitter verteidigen, haben sich doch immer wieder Menschen einfach vor uns oder direkt hinter uns gestellt (und damit meine ich: Bauch an Rücken). Als es endlich hieß "De Zoch kütt", war meine Stimmung also schon entsprechend gereizt. Was ich dann aber doch bewundernswert fand, war die Kreativität, mit der die einzelnen Wagen gestaltet wurden. Überall gab es liebevolle Details und die verschiedenen Motti waren wirklich erfinderisch. Politische Statements hatte ich als Kind und Teenager bei unseren kleinen Umzügen nicht wahrgenommen; das war bei diesem großen Rosenmontagszug wirklich interessant. Und auch die Funkemariechen und Tanzgruppen haben mir gut gefallen. Beeindruckend, dass sie das ganze Jahr für diese paar Tage trainieren! Gerade als die ausgelassene Stimmung auch auf mich übergreifen wollte, ist es aber passiert: Eine Tänzerin hat sich vor unseren Augen verletzt.  Als uns dann noch eine Frau aggressiv unsere gesammelten Süßigkeiten aus der Hand und unseren Beuteln gerissen hat, hatte ich fürs erste wieder genug.  

Neuer Versuch

Ich glaube dennoch, dass da etwas ist am Karneval, das mir gefallen könnte und in der Theorie verstehe ich ja auch, was andere Menschen daran finden. In diesem Jahr habe ich mir vorgenommen, zu einem Karnevalsgottesdienst zu gehen. Ich habe schon öfter den aus Köln im Fernsehen gesehen und finde es toll, dass es auch in der Kirche nicht immer nur ernst zugehen muss. Das Verkleiden im Büro  ist für mich persönlich auch immer ein kleines Highlight (und natürlich die Berliner). Vielleicht teste ich in diesem Jahr als Erwachsene noch einmal einen kleinen, dörflichen Karnevalszug. Meine Nachbarn schwärmen immer vom Zusammenhaltsgefühl, das an diesem Tag herrscht, an dem Sorgen erst einmal kollektiv auf später verschoben werden. Vielleicht hatte ich mit meinen bisherigen Erlebnissen einfach nur Pech und ich werde noch zum ultimativen Karnevalsjeck. Bis dahin kriegt mich an Rosenmontag so schnell aber niemand in großes Gewusel. 

Von Meike Kohlhoff