Wie Kinder und Jugendliche den Aachener Dom im Krieg retteten

Es ist ein Buch für Kinder – mit einer Geschichte über Kinder. Und das mit einem historischen Kern. Das Ganze spielt in Aachen in der Zeit des vor 80 Jahren zu Ende gegangenen Zweiten Weltkriegs. Dass die Kathedrale bei den Kämpfen nicht in Flammen aufging, ist einer einmaligen Besonderheit zu verdanken: Kinder und Jugendliche schlossen sich 1941 zu einer Feuerlöschgruppe zusammen. Und dem Wirken eben dieser "Domwächter" widmet sich die gleichnamige Publikation.
"Die Retter des Aachener Doms" lautet der Untertitel des 86 Seiten starken Buches, das in der vom Aachener Karnevalsverein (AKV) herausgegebenen Sammlung Crous erschienen ist. Autorin Anne Stutenkemper knüpft an die historischen Ereignisse und die originalen Örtlichkeiten rund um die Domwache an, strickt darum aber eine fiktionale und emotionsgeladene Geschichte. Da sind etwa Bruno, Fritzi, Paul oder Charlotte, die die einschlagenden Bomben "wie ein Gewitter" erleben. Und wenn die Sirenen Entwarnung geben, laufen sie die Dächer ab, um Brandherde zu suchen und zu löschen.
Zahlreiche Illustrationen von Silvio Neuendorf ergänzen die Texte und lassen in Form eines Comics oder einer Graphic Novel die Ereignisse von damals lebendig werden. Kinder kauern sich zusammen, blicken angstvoll auf heranrückende Bomber am Nachthimmel, schließen Schläuche aneinander oder kraxeln auf Dächern herum. Die Zeichnungen vermitteln einen plastischen Eindruck, wie es den 19 Kindern und Jugendlichen damals ergangen sein könnte. Und was Krieg auch heute – etwa in der Ukraine – bedeuten kann.
Für gemeinsames Lesen empfohlen
Beim ersten alliierten Großangriff im Juli 1941 fielen 75 Brandbomben auf das Umfeld des Doms. Beim zweiten – zwei Jahre später – mussten sechs große Brände in den Dachstühlen der Kathedrale gelöscht werden.
Angesichts der schweren Thematik ist es für Autorin Anne Stutenkemper kein Buch, das man Kindern einfach in die Hand drückt. Die für Jungen und Mädchen ab zehn Jahren gedachte Publikation sollte in Begleitung von Erwachsenen gelesen werden, empfiehlt sie im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Für Stutenkemper, die hauptberuflich in der Werbebranche tätig ist, war es ein "anspruchsvolles Projekt". Denn eine Biografie über Menschen, die längst verstorben sind, habe sie nicht schreiben können. Vielmehr sei es darum gegangen, möglichst nah an den historischen Ereignissen ihr Leben nachzuempfinden.

Der Zweite Weltkrieg richtete auch an Kirchen große Schäden an, wie hier in Köln.
Und so erfand die 34-Jährige Figuren, die aber in einem wahren Umfeld agieren. Wie einst Kinder über schräge Kappellendächer rutschten, beeindruckt Stutenkemper heute noch. "Dass da keiner abgestürzt ist, ist ein Wunder."
Ähnlich imponierend findet Silvio Neuendorf die Leistung der jungen Löschtruppe. Seit über 30 Jahren arbeitet er als Illustrator und bebildert meist Bücher für Kleinkinder. "Da sind die Welten bunt und heil." Das Buch "Domwächter" sei da ganz anders und überhaupt sein erstes Buch, bei dem er sich mit dem Thema Krieg habe auseinandersetzen müssen. Um Details wie die damals verwendete Pumpe oder die Feuerpatschen richtig zu treffen, habe er zehnmal mehr recherchieren müssen als für jedes seiner anderen Bücher.
Erstmals habe er im Comic-Stil gearbeitet und die Illustrationen dafür auch rein digital erstellt, erläutert Neuendorf. Grundlage seien unter anderem historische Fotos gewesen – und eine genaue Erkundung der örtlichen Verhältnisse mit dem Turmverlies, den Kapellen, Wendeltreppen, Emporen oder Dachstühlen. Neuendorf: "Seitdem ich das Buch gemacht habe, sehe ich den Dom mit anderen Augen."