Ergebnis sei Auftrag an Union und SPD

Welskop-Deffaa zur Bundestagswahl: Keine Zeit für Spielchen

Veröffentlicht am 24.02.2025 um 00:01 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Berlin ‐ Jetzt sei keine Zeit, die Polemiken des Wahlkampfs fortzusetzen, kommentiert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa im katholisch.de-Interview das Ergebnis der Bundestagswahl. Sie mahnt eine verbale Abrüstung an.

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Die Union ganz vorne, die AfD auf Platz zwei, die SPD mit Verlusten, Grüne fast gleich, die Linke erstarkt, FDP und BSW um die Fünf-Prozent-Hürde: Es ist ein vielschichtiges Bild, das die Ergebnisse der Bundestagwahl zeichnen – und das nach einem harten Wahlkampf. Was bedeutet das für die Zukunft? Im Interview spricht die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, über das Ergebnis und welche Schlüsse daraus in Politik und Gesellschaft gezogen werden sollten.

Frage: Frau Welskop-Deffaa, die Frage, wer nun eigentlich regieren wird, war nach einer Wahl selten so offen wie heute. Wie schauen Sie jetzt in die nahe Zukunft?

Welskop-Deffaa: Das Wahlergebnis ist Auftrag an die Union und die SPD, eine Regierung zu bilden. Sie werden dazu unter Umständen einen weiteren Partner brauchen. Es wird darum gehen, innere, äußere und soziale Sicherheit zu gewährleisten – unter den Vorzeichen zerfallender internationaler Allianzen und demographischer Dramatik. Keine Zeit für Spielchen und keine Zeit, die Polemiken des Wahlkampfs fortzusetzen.

Frage: Stärkste Kraft ist mit einigem Abstand die Union. Ein gutes Zeichen für die Rolle des Christlichen in Deutschland?

Welskop-Deffaa: Ich hoffe, dass die Union sich bei den anstehenden Gesprächen zur Bildung einer Koalition vom Geist der Präambel des Grundgesetzes leiten lässt. Es geht um die "Verantwortung vor Gott und den Menschen". Die Union hat den Bezug zu dieser Formulierung in ihrem Grundsatzprogramm zuletzt zum Glück ausdrücklich hergestellt. Es geht um eine Verantwortung, die über den heutigen Tag und unsere eng verstandenen nationalen Interessen hinausweist. Konkret wird das nicht zuletzt auch bei den Themen Entwicklungszusammenarbeit und Klimaschutz.

Frage: Die Wahlbeteiligung war mit 84 Prozent so hoch wie selten. Ein gutes Zeichen für die Demokratie?

Welskop-Deffaa: Die hohe Wahlbeteiligung belegt, dass die Menschen den Eindruck hatten, dass es diesmal um etwas geht. Dass es uns nicht gleichgültig sein darf, wer wie unser Land regiert. Das ist gut. Wir brauchen diese Energie über den Wahltag hinaus! Wir brauchen Menschen, die den Unterschied machen wollen – für eine solidarische Gesellschaft. Noch mehr als die Wahlbeteiligung freut mich daher, dass viele Bürgerinnen und Bürger in den letzten Wochen in demokratische Parteien eingetreten sind.

„Wir brauchen Menschen, die den Unterschied machen wollen – für eine solidarische Gesellschaft.“

—  Zitat: Eva Maria Welskop-Deffaa

Frage: Die AfD hat etwa ein Fünftel der Stimmen auf sich vereint, sie ist zweitstärkste Kraft. Was für ein Zeichen ist das?

Welskop-Deffaa: Das Ergebnis der Rechtspopulisten hatte sich in den Landtagswahlergebnissen 2024 und den der letzten Wochen Umfragen angekündigt. Wir werden sie nur bremsen, wenn ihre Wähler spüren, dass ihre Fragen an die Politik von anderen Parteien glaubwürdig beantwortet werden – Fragen nach Kita-Öffnungszeiten, nach ÖPNV-Verbindungen und nach Mietpreisen. Migration ist nicht die Mutter aller Probleme!

Frage: Was bedeuten diese Verhältnisse für die Politik der kommenden Jahre?

Welskop-Deffaa: Wir brauchen zuallererst dringend verbale Abrüstung im politischen Diskurs, Sekundenkleber fürs politische Porzellan, das im Wahlkampf zerschlagen wurde. Der Zivilgesellschaft, namentlich der Caritas wächst eine Aufgabe zu: Die soziale Macht des Christlichen müssen wir für Kompromisssuche und Zukunft in die Waagschale werfen.

Frage: Der Wahlkampf war von Abgrenzungen und sich vertiefenden Spaltungen in Politik und Gesellschaft geprägt. Was muss nun passieren, damit die entstandenen Wunden abheilen können?

Welskop-Deffaa: Der Wahlkampf ist zum Teil sehr polarisierend geführt worden. Verunglimpfungen von Wählern und Kandidaten möglicher Koalitionspartner waren den anstehenden Sondierungs- und Koalitionsgesprächen sicherlich nicht zuträglich. Ich wünsche mir, dass die Politiker menschenfreundlicher von und miteinander sprechen. Ich setze da auf die Rede des neuen Alterspräsidenten des Bundestags, der ja wohl Gregor Gysi heißen wird.

Von Christoph Paul Hartmann