Vatikan folgt Entscheidung der Schweizer Staatsanwaltschaft

Abt von Saint-Maurice nach Verfahrenseinstellung wieder im Amt

Veröffentlicht am 12.03.2025 um 11:08 Uhr – Lesedauer: 

Saint-Maurice/Fischingen ‐ Die altehrwürdige Schweizer Abtei Saint-Maurice wurde von Missbrauchsvorwürfen erschüttert – auch gegen ihren Abt. Der hatte sein Amt ruhen lassen. Nun sieht ihn der Vatikan als rehabilitiert an. Die Schweizer Bischöfe reagieren wenig euphorisch.

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Der Abt der Schweizer Augustiner-Chorherren-Abtei Saint-Maurice, Jean Scarcella, ist nach Vorwürfen sexueller Übergriffe wieder im Amt. Die Abtei teilte am Dienstag mit, dass der Vatikan nach der Einstellung des Verfahrens durch die Schweizer Staatsanwaltschaft das kirchenrechtliche Verfahren ebenfalls eingestellt hat. Scarcella habe am Sonntag die Amtsgeschäfte wieder aufgenommen. In der vergangenen Woche habe das zuständige Bischofsdikasterium mitgeteilt, dass von Seiten der römischen Behörde keine Bedenken bestehen, die Aufgaben als Abt wieder wahrzunehmen. Bereits Mitte Februar habe der Präfekt des Bischofsdikasteriums, Kardinal Robert Prevost, bei einem Gespräch mit Scarcella und dem Apostolischen Administrator der Abtei, Jean-Michel Girard, die Entscheidung mitgeteilt, mit der zugleich der Auftrag des Apostolischen Administrators endet.

Die von der Abtei Anfang 2024 eingerichtete unabhängige Arbeitsgruppe, die Vorwürfe gegen mehrere Ordensmänner untersucht, werde weiterarbeiten. Scarcella begrüßte die Entscheidung des Vatikans: "Ich nehme das Vertrauen des Heiligen Stuhls, mir die Wiederaufnahme meines Amtes als Abt zu gewähren, mit Zuversicht an und danke meiner Gemeinschaft für ihre unerschütterliche Unterstützung." Bereits im Oktober 2024 teilte die Abtei mit, dass die Voruntersuchung des Falls keine Beweise für Missbrauch oder Übergriffe "im eigentlichen Sinn" durch Scarcella feststellen konnte. Das Bischofsdikasterium habe Scarcella aber gerügt und ihn aufgefordert, "sich in Zukunft von allem fernzuhalten, was in zwischenmenschlichen Beziehungen nicht dem Klerikerstand entspricht".

Die noch bis Mittwoch tagende Vollversammlung der Schweizer Bischofskonferenz nahm die Entscheidung in einer knappen Stellungnahme zur Kenntnis, ohne sie ausdrücklich zu begrüßen: "Das Dikasterium für die Bischöfe hat für seine Zustimmung keinen anderen Grund angegeben als die Einhaltung des gesetzlichen Rahmens. Wie die Schweizer Justiz respektiert auch die Justiz der Kirche die Rechtsgrundsätze eines Rechtsstaats." Die Bischöfe verweisen darauf, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt habe, da die Vorwürfe verjährt seien und nicht aufgeklärt werden könnten. Weitere Informationen lägen ihnen nicht vor.

Vorwürfe gegen mehrere Mitglieder der Abtei

Scarcella hatte sein Amt im September 2023 ruhen lassen, nachdem ihm vorgeworfen wurde, er habe einen Jugendlichen sexuell belästigt. Mit seinem zeitweisen Amtsverzicht wolle er die Unabhängigkeit der Untersuchung des Falls sicherstellen, teilte der Abt damals mit. Der zunächst als Vertreter bestimmte Prior musste bereits zwei Monate danach als Interims-Leiter zurücktreten, nachdem auch gegen ihn Vorwürfe bekannt wurden. Eine Recherche des Schweizer Fernsehens RTS hatte zuvor Vorwürfe gegen acht weitere lebende und verstorbene Mitglieder des Klosters der Augustiner-Chorherren ans Licht gebracht. Papst Franziskus betraute den ehemaligen Oberen der Augustiner-Kongregation des Großen Sankt Bernhard, Jean Michel Girard, mit der Aufgabe, die Abtei als Apostolischer Administrator bis auf weiteres zu leiten. Im vergangenen Oktober hatte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen eingestellt. Die Gründe für die Einstellung waren zunächst nicht bekannt.

Die Abtei Saint-Maurice ist ein Kloster der Augustiner-Chorherren im Schweizer Kanton Wallis. Sie gilt als ältestes ohne Unterbrechung bestehendes Kloster des Abendlandes. Als Territorialabtei ist das Kloster und ein zu ihm gehörendes Gebiet von fast 100 Quadratkilometern einem Bistum gleichgestellt. Die Vorsteher von Territorialabteien gehören durch ihr Amt der jeweiligen Bischofskonferenz an, obwohl sie in der Regel nicht zu Bischöfen geweiht sind. In der Schweizer Bischofskonferenz ist neben dem Abt von Saint-Maurice auch der Abt der Territorialabtei Einsiedeln vertreten. (fxn)