Männer mit Aussicht auf das höchste Kirchenamt

Welcher Kardinal kann Papst?

Veröffentlicht am 30.04.2025 um 00:01 Uhr – Von Severina Bartonitschek (KNA) – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Wer wird der nächste Papst? Die geheimen Treffen seiner künftigen Wähler im Vatikan lassen die Welt spekulieren. Und auch die Kardinäle fragen sich, wer von ihnen "Papst kann". Mehrere Namen werden gehandelt.

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Manche Kardinäle halten den Blick gesenkt, wenn sie zu ihrer täglichen Versammlung in den Vatikan gehen. Einige sprechen kurz mit den Journalisten, die mit Mikrofonen und Kameras den Eingang zum Kirchenstaat belagern. Sie wollen wissen, was dort unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor sich geht. Schließlich war es eine dieser Versammlungen vor dem Konklave 2013, bei der Jorge Mario Bergoglio die berühmte Rede hielt, die viele seiner Wähler überzeugte. Eine einzige Frage wabert unablässig über der Ewigen Stadt: Wer wird der nächste Papst?

Bereits seit Jahren wird ein Name immer wieder genannt: Pietro Parolin (70). Unter Franziskus war er Kardinalstaatssekretär und damit "Oberdiplomat" des Vatikans. Er kennt die Weltkirche wie seine Westentasche. Doch fehlt es dem gemäßigten Italiener und wohl bekanntesten Kardinal an seelsorgerischer Erfahrung, sein Charisma ist das eines nüchternen, wenn auch freundlichen Beamten. Laut internationalen Medien geht er mit den besten Aussichten ins Konklave am 7. Mai, doch hat er wohl bestenfalls das Zeug zum Kompromisskandidaten.

US-Pass als Nachteil?

Ein Mann der Weltkirche ist auch Robert Francis Prevost (69). Der Ordensmann arbeitete viele Jahre in Peru – zunächst als Missionar, später als Bischof. Er ist ein zugänglicher wie bescheidener Seelsorger mit internationaler Führungserfahrung. Lange leitete er den weltweit tätigen Augustinerorden. Viele Mitglieder des Kardinalskollegiums kennen Prevost als Chef der vatikanischen Bischofsbehörde, quasi die Personalabteilung der katholischen Weltkirche. Als diplomatisch wie pragmatischer Mann der Mitte gilt er als geschätzt bei progressiven wie konservativen Kirchenmännern. Auf dem Papier macht ihn all das zu einem geeigneten Nachfolger von Franziskus, wäre da nicht sein US-amerikanischer Pass. Um politische Verwicklungen zu vermeiden, war bislang ein Papst aus dem mächtigsten Land der Erde tabu.

Diesen "Nachteil" bringt auch Joseph William Tobin (72) mit ins Konklave. Dem bodenständigen Erzbischof von Newark fehlt es zwar nicht an internationaler Führungserfahrung  – wie Prevost leitete auch der Redemptorist Tobin seinen Orden über zwei Amtszeiten. Doch bekleidete der vielsprachige "Franziskus-Mann", der sich besonders für Migranten engagiert, bislang kein Leitungsamt in der römischen Kurie.

Kardinal Pietro Parolin
Bild: ©KNA/Alessia Giuliani/CPP/

Kardinal Pietro Parolin wird immer wieder genannt.

Als Mann in der Spur von Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. gilt der Ungar Peter Erdö (72). Bereits beim letzten Konklave wurde der Erzbischof von Esztergom-Budapest als Kandidat der eher konservativen Fraktion gehandelt. Als langjähriger Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen ist Erdö bestens vernetzt – über den eigenen Kontinent hinaus. Durch regelmäßige Sitzungen mit afrikanischen Bischofskonferenzen ist er auch dort bekannt. Für den Intellektuellen und versierten Theologen könnte das einen großen Wählerkreis bedeuten, obwohl er nicht als mitreißender Redner bekannt ist.

Kandidaten vom afrikanischen Kontinent selbst dürften es beim Konklave schwer haben. Fridolin Ambongo Besungu (65) wird regelmäßig als "papabile" benannt. Der theologisch konservative Erzbischof von Kinshasa gilt als einflussreichste Stimme des Kontinents. In der Demokratischen Republik Kongo ist Ambongo beliebt, auch weil er sich immer wieder mit den politischen Eliten seines Heimatlandes anlegt. Doch im Papstamt gilt es, die Weltkirche zusammenzuhalten. Dabei könnten ihm sein überaus selbstbewusstes Auftreten und rhetorisch überbordendes Temperament im Weg stehen.

"Afrika-light-Variante"?

Vorstellbar wäre aber auch eine Art "Afrika-light-Variante". Der gebürtige Spanier Cristobal Lopez Romero (72) ist seit sieben Jahren Erzbischof von Rabat in Marokko. Obwohl er Europäer ist, hat der Salesianer-Ordensmann keinen westlichen, sondern einen globalen Blick. Er arbeitete als Seelsorger in den Außenbezirken von Barcelona und in Paraguays Hauptstadt Ascuncion. Später stand er der Salesianerprovinz Bolivien vor. Der liberale und bodenständige Kirchenmann ist bekannt für seinen Einsatz für sozial Benachteiligte, insbesondere Migranten. Darüber hinaus engagiert sich der Hirte einer kleinen katholischen Minderheit inmitten von Muslimen für den Dialog mit dem Islam.

Die katholische Kirche wächst in Afrika und auch in Asien. Dort steht der philippinische Kardinal Luis Antonio Tagle (67) ganz oben auf der Papabile-Liste. Der ehemalige Erzbischof von Manila singt nicht nur öffentlichkeitswirksam "Imagine" von John Lennon auf der Bühne, er leitet auch die wichtige Vatikan-Abteilung für die Verbreitung des katholischen Glaubens in der Welt. Lange als Kronprinz von Franziskus gehandelt, wurde es in den letzten Jahren ruhiger um den frommen Kirchenmann. Nicht zuletzt, weil er nach Unregelmäßigkeiten bei der weltweiten Dachorganisation der Caritasverbände seinen Hut als Präsident nehmen musste.

Kardinal Luis Antonio Gokim Tagle
Bild: ©KNA/Paolo Galosi/Romano Siciliani (Archivbild)

Kardinal Luis Antonio Tagle war lange als Kronprinz von Franziskus gehandelt worden. Zuletzt wurde es ruhiger um ihn.

Sein Nachfolger bei Caritas Internationalis ist ein weiterer Kandidat aus Asien. Der Japaner Tarcisio Isao Kikuchi (66) leitet seit knapp acht Jahren das Erzbistum Tokio und kennt sich ebenfalls mit der Glaubensverbreitung aus. Der als liberal geltende Ordensmann der Steyler Missionare arbeitete als Seelsorger in Ghana und setzt sich für den Dialog mit anderen Religionen ein. Der Vorsitzende der Japanischen Bischofskonferenz war ein wichtiger Protagonist beim von Papst Franziskus begonnenen Reformprozess für mehr Teilhabe in der katholischen Kirche und versteht sie als eine Institution der "Einheit in der Vielfalt".

Den noch bis mindestens 2028 angekündigten Reformprozess leitet Mario Grech (68) von der Insel Malta. Aufgrund seines Leitungspostens im vatikanischen Synodensekretariat ist er bei den Kardinälen bekannt, gut vernetzt und kennt die katholische Weltkirche. Als Bischof von Gozo vertrat er mitunter konservative Ansichten, unter Franziskus wandelte er sich zum progressiven Kirchenmann. Durch die große weltweite Anteilnahme an Franziskus' Tod, könnten sich die Kardinäle für eine Fortsetzung des "synodalen Stils" entscheiden. Dafür wäre Grech prädestiniert.

"Mittelmeerbischof" unter Favoriten

Ein Newcomer ist der Franzose Jean-Marc Aveline (66). Der Erzbischof von Marseille floh als Kind mit seiner Familie aus Algerien in die Hafenstadt. Das erklärt den besonderen Einsatz des ernannten Vorsitzenden der Französischen Bischofskonferenz für Migranten. Darüber hinaus engagiert er sich im Dialog mit anderen Religionen und wurde dadurch unter Franziskus zum "Mittelmeerbischof". Der joviale Kirchenmann steht wie Franziskus für eine offene katholische Kirche.

Dafür tritt auch der Italiener Matteo Zuppi (69) ein. Der gebürtige Römer leitet als Vorsitzender der Bischofskonferenz den Reformprozess in Italiens Kirche. Der Erzbischof von Bologna ist politisch versiert und vermittelte einst für die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio in Konfliktgebieten. Papst Franziskus machte den als eher progressiv geltenden Kirchenmann und ehemaligen "Straßenpfarrer" zu seinem Sonderbeauftragten für humanitäre Anliegen im Ukraine-Krieg.

Für Frieden, Dialog und Diplomatie steht auch der menschennahe und fromme Pierbattista Pizzaballa (60). Als Lateinischer Patriarch von Jerusalem ist der Italiener gut bekannt mit religiösen Oberhäuptern aus Islam, Judentum und Orthodoxie. Seit Jahren beweist er sich als Vermittler im Minenfeld Nahost. Gegen den Franziskaner als nächsten Papst sprechen allerdings zwei Gründe: Aufgrund seines noch relativ jungen Alters könnte den Kardinälen die zu erwartende Amtsdauer zu lang sein. Und Pizzaballa selbst möchte nach eigener Aussage nicht der nächste Papst werden: "Man müsste verrückt sein, solch einen Job machen zu wollen."

Von Severina Bartonitschek (KNA)