Speyerer Bischof erschüttert von Ergebnissen

Wiesemann zu Missbrauchsstudie: Teilweise eklatantes Leitungsversagen

Veröffentlicht am 09.05.2025 um 13:08 Uhr – Lesedauer: 

Speyer ‐ "Eklatantes Leitungsversagen" habe Missbrauch und Gewalt im Bistum Speyer über Jahrzehnte ermöglicht, sagt der Speyerer Bischof in einer ersten Reaktion auf eine wissenschaftliche Untersuchung. Und er bittet um Vergebung.

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Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat erschüttert auf die Vorstellung der ersten Missbrauchsstudie für das Bistum reagiert. Bei einer Pressekonferenz sprach Wiesemann am Freitag von einem "tief beschämenden Geschehen in der Geschichte unseres Bistums". Es habe teilweise eklatantes Leitungsversagen in der Diözese gegeben, vor allem in den 1950er und 1960er Jahren.

Bei der Aufarbeitung liege noch ein langer Weg vor dem Bistum, "ein Lernprozess, den wir mit den Betroffenen gehen wollen", sagte der seit 2008 amtierende Bischof. "Grundlegend für einen solchen Weg ist das uneingeschränkte Eingestehen der Schuld, die wir als Kirche auf uns geladen haben", betonte Wiesemann und fügte sichtlich bewegt hinzu: "Ich kann nur aus ganzem Herzen um Vergebung bitten." Es sei ihm "ein großes Anliegen, dass auch heute noch bestehende Schweigespiralen durchbrochen werden und Betroffene sich melden", sagte der Bischof. "Wir wollen alles tun, damit unsere Kirche ein sicherer Ort für alle ist."

"Kirchliche Strukturen begünstigten Missbrauch"

In der am Donnerstag vorgestellten, 473-seitigen Studie heißt es, fehlende Machtkontrolle und autoritäre Amtsausübung hätten jahrzehntelang Missbrauch und sexualisierte Gewalt durch Priester, Ordensleute und kirchliche Mitarbeiter im Bistum ermöglicht. "Die kirchlichen Strukturen haben die Straftaten maßgeblich begünstigt", so die unabhängige Untersuchung, die von Wissenschaftlerinnen der Universität Mannheim erarbeitet wurde.

Die Untersuchung hat Personalakten und weitere Aufzeichnungen des Bistums für die Zeit von 1946 bis in die Gegenwart ausgewertet und kommt so zu einer Gesamtzahl von 109 Priestern und 41 Nichtklerikern, die des Missbrauchs oder sexueller Übergriffe beschuldigt wurden.

Als einen "Hotspot" für Übergriffe bezeichnet die Studie kirchliche Heime für Kinder und Jugendliche. Dort hätten Kleriker und andere Berufsgruppen jahrelang ein "Betriebsklima" vorgefunden, das sexuelle Übergriffe erleichtert habe, heißt es in der Studie.

Der Speyerer Dom steht hinter einer Reihe Bäumen
Bild: ©picture alliance/dpa/Uwe Anspach (Symbolbild)

2027 soll für das Bistum Speyer ein zweiter Bericht veröffentlicht werden. Darin soll es um konkrete und detaillierte Fallanalysen gehen.

"Unter den 41 beschuldigten Nichtklerikern sind auch Nonnen", sagte die Historikerin und Studienleiterin Sylvia Schraut. "Mitverantwortlich für das Verschweigen von Missbrauch und die langjährige Verhinderung von Prävention dürfte zudem die rigide Sexualmoral der katholischen Kirche sein", so Schraut.

Wiesemann sagte, die Studie zeige, "wie eng der Missbrauch in der Kirche mit einem überhöhten Amtsverständnis" verbunden sei. Er sprach von "Tabuisierungen, die bis in die Lehre der Kirche hinein angelegt sind" und mahnte eine Weiterentwicklung der kirchlichen Sexualmoral an – vor allem im seelsorgerlichen Umgang mit Menschen.

Betroffene: Womöglich Täter-Netzwerke

Bernd Held, Vorsitzender des Betroffenenbeirats im Bistum Speyer, sagte: "Wir erwarten von der Bistumsleitung, dass die Strukturen, die den Missbrauch ermöglicht haben, zerschlagen werden." Und falls festgestellt werde, dass es Netzwerke von Missbrauchstätern gegeben habe, "erwarten wir von der Bistumsleitung, dass diese aufgebrochen werden". Die Universität Mannheim will innerhalb des auf vier Jahre angelegten Forschungsprojekts 2027 einen zweiten Bericht veröffentlichen. Darin soll es um konkrete und detaillierte Fallanalysen gehen.

Generalvikar Markus Magin verwies mit Blick auf die Missbrauchsprävention darauf, dass in den vergangenen Wochen ein "Akutleitfaden" erstellt worden sei, der an alle hauptamtlichen Mitarbeiter des Bistums wie auch des Caritasverbandes verteilt werde. Auf diese "Kurzform einer Interventionsrichtlinie" zur Vorbeugung von Missbrauch werde "in nächster Zeit ein ausführlicher Interventionsleitfaden folgen".

Mit Blick auf die Gedenkkultur kündigte Magin an, das Bistum wolle ein Mahnmal zur Erinnerung an das Missbrauchsgeschehen errichten. Ein Konzept dafür werde derzeit erarbeitet. "Ich kann es bis heute nicht fassen, was da im Raum von Kirche Menschen angetan wurde – jungen Menschen, die eigentlich unseren besonderen Schutz gebraucht hätten", sagte der Verwaltungschef der Diözese. (KNA)

9.5., 14.20 Uhr: ergänzt um weitere Informationen.