Franziskus sei charismatisch, aber unstrukturiert gewesen

Politologe: Neuer Papst Leo XIV. ist riesige Chance für die Kirche

Veröffentlicht am 16.05.2025 um 10:19 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ In den acht Tagen seit seiner Wahl ist Papst Leo XIV. mit Erwartungen überhäuft worden. Ein Politologe und Philosoph traut dem neuen Kirchenoberhaupt viel zu – und bringt dabei auch Vorgänger Franziskus ins Spiel.

  • Teilen:

Der Philosoph und Politologe Otto Kallscheuer traut dem neuen Papst Leo XIV. viel zu. Der in Chicago geborene Robert Francis Prevost (69) sei "endlich wieder ein Amerikaner, den wir gut finden dürfen nach Trump", sagte Kallscheuer am Donnerstagabend im deutschen Museum Casa di Goethe in Rom. Nun bleibe abzuwarten, ob der studierte Mathematiker und Kirchenrechtler, vormalige Bischof in Peru und langjährige Leiter des Augustinerordens "über sein freundliches Lächeln hinaus" zum Wohle aller 1,4 Milliarden Katholiken wirken könne, so Kallscheuer.

Das Ergebnis der Papstwahl sei jedenfalls eine riesige Chance und ein Beweis, "dass der Heilige Geist durchaus wehen kann, wenn er will". Leo XIV. wird am Sonntag in sein Amt als 267. Papst der Kirchengeschichte eingeführt. Kallscheuer ist Autor eines umfangreichen Buches über die Rolle des Papsttums in der Weltpolitik.

Franziskus – charismatisch, aber unstrukturiert

Der an Ostermontag gestorbene Papst Franziskus sei zwar charismatisch gewesen, habe aber oft eher unstrukturiert gehandelt, so der Autor weiter. Auch seine Reform der Kurie, also der Leitung der Weltkirche, habe keine grundlegenden Änderungen gebracht. Zugleich müsse die Kirche die Grenzen ihrer eigenen Reformierbarkeit anerkennen. "Eine Kirche, die den Stimmungen nachläuft, riskiert, sich selbst zu verlieren", so Kallscheuer. Reformen seien aber möglich: "mit Geduld und methodischer Rigorosität, wie man sie von einem Mathematiker aus Amerika vielleicht erwarten kann".

Auch in diplomatischer Hinsicht erhoffe er viel von Leo XIV., der zuletzt Leiter des einflussreichen Dikasteriums für die Bischöfe war, quasi die vatikanische Personalabteilung. Zwar habe Franziskus immer auf Frieden in der Ukraine gedrängt, aber zum Beispiel niemals den Moskauer Patriarchen Kyrill für seine Unterstützung des russischen Angriffskriegs deutlich kritisiert, gab Kallscheuer zu bedenken.

Kirche durch keine Institution zu ersetzen

Er sehe keinen Grund, warum der Kirche nach 2.000 Jahren "Erfolgsgeschichte" nicht eine Erneuerung gelingen sollte, so der Wissenschaftler und Publizist. Dafür spreche ihre pure Existenz in fast allen Weltgesellschaften und Ländern, "auch mit wahren oder faulen Kompromissen, wie sie der Kirche in China vorgeworfen werden". Damit sei die Kirche nach einem Begriff aus der Politikwissenschaft "a public good" – "ein öffentliches Gut, das durch keine andere Institution ersetzt werden kann", sagte Kallscheuer. "Allein deshalb muss das Papsttum sich vernünftig reformieren." (KNA)