Missbrauchsaufarbeitung: Polens Bischöfe entziehen Erzbischof Auftrag

Die Polnische Bischofskonferenz legt die Vorarbeiten für eine Untersuchung von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche überraschend in neue Hände. Auf ihrer Vollversammlung im schlesischen Katowice (Kattowitz) entzogen die Bischöfe Primas Erzbischof Wojciech Polak (Foto oben) die Zuständigkeit für die Einrichtung einer landesweiten Aufarbeitungskommission für Missbrauchsfälle, wie am Donnerstag aus einer offiziellen Mitteilung hervorgeht. An Polaks Stelle wurde Bischof Slawomir Oder damit beauftragt, die Dokumente für die Arbeitsweise des geplanten unabhängigen Expertengremiums zu erstellen, das "das Phänomen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch manche Geistliche" untersuchen soll.
Oder sagte, die Bischöfe seien entschlossen, die Untersuchungskommission ins Leben zu rufen. Gemeinsam mit den Frauen- und Männerorden wolle man die Arbeit zu Ende führen. Polens Bischofskonferenz hatte im März 2023 angekündigt, ein unabhängiges Expertenteam zu berufen, das Missbrauchsfälle aus der Zeit seit 1945 untersuchen soll. Die Vorbereitungen ziehen sich bis heute hin. Zuletzt hatten Bischöfe vor zu großen Kompetenzen der Kommission gewarnt.
In einer schriftlichen Erklärung hieß es, die Bischöfe hätten auf der Vollversammlung "Anmerkungen zum weiteren Vorgehen hinsichtlich des Statuts und der Funktionsweise" der geplanten Missbrauchskommission gemacht. Und weiter: "Die Bischöfe danken dem Primas Erzbischof Wojciech Polak und dem von ihm geleiteten Team, das seine Tätigkeit abgeschlossen hat, für die Vorbereitung konkreter Grundlagen für den nächsten Arbeitsabschnitt."
Missbrauchsbetroffener kritisiert Entscheidung
Der Missbrauchsbetroffene Robert Fidura kritisierte den Personalwechsel. "Ich sehe die Entscheidung negativ", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Aufarbeitung werde sich so weiter verzögern. Jakob Pankowiak, ebenfalls Missbrauchsbetroffener, fühle sich betrogen, wie er am Freitag der polnischen katholischen Nachrichtenagentur KAI mitteilte. Die Bischöfe wollten keine unabhängige Kommission einrichten, "um die wir gebeten haben", obwohl es zunächst so ausgesehen habe, dass man gemeinsam vorankomme. "Die gestrigen Ereignisse bedeuten, dass – zumindest von meiner Seite aus – die Zusammenarbeit mit der Polnischen Bischofskonferenz in dieser Frage zu Ende geht", so Pankowiak. Im Juli 2024 hatte er sich gemeinsam mit mehr als 40 Betroffenen von sexuellem Missbrauch durch katholische Geistliche mit einem Offenen Brief an die Bischöfe gewandt. Darauf war er zur Vollversammlung im November eingeladen worden.
Polens Bischofskonferenz hatte im März 2023 eine Untersuchung der Missbrauchsfälle seit 1945 durch unabhängige Experten angekündigt. Die Vorbereitungen ziehen sich bis heute hin. Es wurden bislang keine Mitglieder der Untersuchungskommission berufen. Zuletzt hatte der Rechtsbeirat der Bischofskonferenz, dem auch Oder angehört, vor zu großen Kompetenzen der geplanten Kommission gewarnt. Oder, der Bischof von Gliwice (Gleiwitz) ist, betonte noch am Donnerstag die Entschlossenheit zur Einrichtung der Kommission. Die Bischöfe hätten das Thema bei ihrer Versammlung "mit großer Sorgfalt" behandelt. Einen Zeitplan für die weiteren Schritte wollte er allerdings nicht nennen.
Weiterer Autoritätsverlust der Kirche?
KAI-Chefredakteur Marcin Przeciszewski verwies darauf, dass Oder im Gegensatz zu Erzbischof Polak über keine Erfahrung im Bereich Missbrauchsaufarbeitung verfüge. Er geht davon aus, dass Oders Nominierung "im öffentlichen Leben zu einem weiteren und wahrscheinlich ziemlich starken Autoritätsverlust der Kirche" führen werde.
Der promovierte Kirchenjurist Oder (64) wurde 2023 zum Bischof geweiht und leitet das südpolnische Bistum Gliwice (Gleiwitz). Er gehört dem Ständigen Rat der Polnischen Bischofskonferenz an. International bekannt wurde er von 2005 bis 2014 als Anwalt (Postulator) für die Selig- und Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II. (1978–2005). Aktuell betreut er das Seligsprechungsverfahren für die Eltern von Johannes Paul II.
Erzbischof Polak (60) bleibt Beauftragter der Bischofskonferenz für den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Das Amt hat er seit dessen Einführung 2019 inne. Durch sein Engagement für die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals erwarb er sich das Vertrauen vieler Betroffener von sexualisierter Gewalt in der Kirche. (KNA)
13.6., 15:47 Uhr: Ergänzt um weitere Informationen.