SJM-Orden räumt schwerwiegende Fehler der Anfangszeit ein

Die Gemeinschaft Diener Jesu und Mariens ("Servi Jesu et Mariae", SJM) räumt schwerwiegende Fehler in der Ordensgeschichte ein. Das geht aus einem Zwischenbericht über den Reflexionsprozess des Ordens hervor, den die SJM am Montag veröffentlicht hat. Der Bericht zählt keine konkreten Beispiele für die genannten schwerwiegenden Fehler auf. Erwähnt wird aber die Notwendigkeit eines sorgfältigen und reflektierten Umgangs mit geistlicher Autorität, die Bedeutung von Ausbildung und gewissenhafter Rechenschaft sowie die Reflexion von Polarisierungen in der Anfangszeit.
Der Bericht betont, dass Nachfolge Christi bedeute, die Freiheit jedes Menschen unbedingt zu achten. "Es ist die unerlässliche Verantwortung des priesterlichen Seelsorgers, diese Freiheit zu schützen, zu entfalten und zu bestärken – je gewichtiger seine Autorität, umso herausfordernder." Diese Verantwortung verlange Übung, Reflexion und gute Regeln. "Rückblickend stellen wir fest, dass wir uns in der SJM dieser Verantwortung noch bewusster werden wollen", so der Bericht weiter.
Der Zwischenbericht räumt ein, dass vor allem in der Anfangszeit ein Schwarz-Weiß-Denken im Orden geherrscht habe: "Komplexe Themen wurden von uns schnell vereinfachend in gut und schlecht, in Freund und Feind eingeteilt. Manchmal fehlte ein differenzierter Blick, der Schwächen oder Irrtum zwar sachlich benennt, aber am anderen auch das Gute anerkennt – und sich stets der eigenen Grenzen bewusst bleibt." Die ersten Jahre seien von starken innerkirchlichen Polarisierungen geprägt gewesen: "Vor allem in den 1990er entwickelte sich eine Situation, in der sich die SJM ausgegrenzt und missverstanden sah – teils auch als nachvollziehbare Reaktion auf undifferenzierte und pauschale Äußerungen unsererseits."
Aufarbeitung nach Beschwerde im Vatikan
Der Orden arbeitet seit dem Frühjahr 2023 seine Geschichte mit Hilfe eines vom vatikanischen Ordensdikasteriums bestellten "Apostolischen Assistenten" auf. Dabei handelt es sich laut dem Orden ausdrücklich nicht um eine Apostolische Visitation. Zunächst wurde mit der Begleitung der Passionistenpater Gregor Lenzen beauftragt, bereits im September 2023 wurde Lenzen durch den Prämonstratenser und Wiltener Altabt Raimund Schreier ersetzt. Anlass für die Bestellung eines Apostolischen Assistenten waren kritische Anfragen an den 2008 verstorbenen Ordensgründer Andreas Hönisch (Foto), die an den Vatikan gerichtet wurden. Der Prozess ist auf drei Jahre angelegt.

Ein Zeltlager der Katholischen Pfadfinderschaft Europas aus der Vogelperspektive – der Pfadfinderverband ist noch heute eng mit den SJM verbunden.
Im Januar 2023 hatte die Gemeinschaft bereits angekündigt, die nach eigenen Angaben seit mehreren Jahren laufende Auseinandersetzung mit seiner Gründungsphase und der Geschichte von Hönisch fortzuführen. Die Verdienste des Gründers dürften "über menschliche Schwächen seinerseits nicht hinwegtäuschen, die sich in manchen Bereichen naturgemäß auch in Struktur und Praxis der damals jungen Gemeinschaft widerspiegelten", teilte der Orden mit.
Frühzeit von Pioniergeist und mangelnder Struktur geprägt
Der Zwischenbericht betont die unterschiedlichen Phasen der Ordensgeschichte. In der Gründungsphase nach 1988 habe es Pioniergeist und Improvisationsgabe bedurft, Einfachheit und Armut hätten sich aus den Umständen ergeben. Heute müsse der evangelische Rat der Armut angesichts großzügiger Spenden von Gläubigen bewusster gelebt werden. Bei der Ausbildung, Begleitung und Leitung sei vieles noch weit über die Gründungszeit hinaus "unvollkommen und bruchstückhaft" geblieben: "Das brachte auch problematische Konsequenzen mit sich: Jungen Mitgliedern wurde schnell große Verantwortung übertragen (in Pfarrei, Schule, Internat … aber auch als Verantwortliche im eigenen Ordenshaus), ohne ausreichend auf entsprechende Ausbildung zu achten oder passende Weiterbildungsangebote zur Verfügung zu stellen." Bei internen Personalfragen seien notwendige Entscheidungen aufgeschoben und wichtige Veränderungen versäumt worden. "So konnten schwerwiegende Fehler geschehen", heißt es in dem Bericht.
Mittlerweile habe die Gemeinschaft die Bedeutung von professioneller Ausbildung, kontinuierlicher Begleitung, klaren Strukturen und dem Rückgriff auf externe Fachexpertise erkannt. Der Orden versuche jetzt, sowohl die "Gründungserfahrung der Selbstverantwortung und Eigenständigkeit" aufrechtzuerhalten wie verbindliche Strukturen zu schaffen. Das zeige sich etwa durch klare Vorgaben für den Umgang mit Missbrauchsvorwürfen. 2023 wurde ein Verdachtsfall bekannt, in dem der Orden anscheinend erst spät die zuständigen Stellen informiert hatte. Weitere Klärung und Vertiefung bräuchten nun Themen wie die Etablierung von internen Kontrollmechanismen und die Weiterführung der Aktualisierung der Ordensregeln.
Entstehungsgeschichte mit Pfadfinderverband KPE verbunden
Der ursprünglich dem Jesuitenorden angehörende Pater Hönisch gehörte 1976 zu den Gründern der Katholischen Pfadfinderschaft Europas (KPE). Der Pfadfinderverband gründete sich in Abgrenzung zu als zu progressiv empfundenen Entwicklungen in der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG). Die Diener Jesu und Mariens sind im Zusammenhang mit der KPE entstanden und bis heute eng mit ihr verbunden. Hönisch war bis zu seinem Tod 2008 Bundeskurat der KPE. Im Streit mit seinem Orden um die Tätigkeit in der KPE wurde Hönisch von den Jesuiten ausgeschlossen und war zunächst Augsburger Diözesanpriester. 1988 gehörte er zu den Gründern der Diener Jesu und Mariens, die 1994 als Kongregation päpstlichen Rechts vom Heiligen Stuhl anerkannt wurde. Hönisch war bis zu seinem Tod Generaloberer des Ordens.
Vor der Ordensgründung hatte er am Priesteramt interessierten KPE-Mitgliedern nahegelegt, Mitglied des "Engelwerks" zu werden. Die SJM stand in der Vergangenheit unter anderem aufgrund ihrer Nähe zum "Engelwerk" und traditionalistischen Positionen in der Kritik. Der Orden selbst beschreibt sein Charisma mit den Stichworten "Ignatianische Spiritualität, Weihe an das Heiligste Herz Jesu und das Unbefleckte Herz Mariens, Liebe zum eucharistischen Herrn, Hochschätzung der Liturgie, Treue zum päpstlichen Lehramt, Jugendarbeit gemäß der Pfadfinderpädagogik und einfaches Leben nach dem Vorbild der Familie in Nazareth". (fxn)