Der Weltkirchenrat zum Gaza-Krieg – Solidarität oder Doppelmoral?
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"Ich bin nicht rassistisch/homophob/frauenfeindlich, aber…": Solche Sätze kennt man, wenn Betroffene Diskriminierungen ansprechen, doch meist folgt eine Aussage, die genau das bestätigt. Ähnlich beginnt leider der "Aufruf zur Beendigung von Apartheid, Besatzung und zu Straflosigkeit in Palästina und Israel" des Weltkirchenrats – und endet nicht gut. Der Zusammenschluss von 365 zumeist evangelischer und orthodoxer Kirchen beginnt seine Erklärung mit: "Wir erkennen einen klaren Unterschied zwischen dem jüdischen Volk, unseren Glaubensbrüdern und -schwestern und den Handlungen der israelischen Regierung…" und bezeichnet im Anschluss Antisemitismus fälschlicherweise als eine Form von Rassismus.
Darauf hätte eine kritische Auseinandersetzung mit Israels Kriegsführung in Gaza – etwa die lange Blockade der Nahrungsmittel – folgen können. Stattdessen bleibt die Erklärung einseitig, nennt die Hamas nicht und erwähnt nicht die 50 Geiseln, die seit 635 Tagen festgehalten werden. Die Katastrophe in Gaza ist auch Folge der Terrororganisation, die Zivilisten bedroht, wenn sie Hilfsgüter annehmen wollen und Demonstranten erschießt.
Der 3-D-Test ist dazu da, um Kritik an der Regierungspolitik von israelbezogenem Antisemitismus zu unterscheiden: Wird Israel dämonisiert, delegitimiert – also das Existenzrecht abgesprochen – oder werden doppelte Standards angewandt? Der Weltkirchenrat nennt eine "Realität der Apartheid", was Israel dämonisiert und delegitimiert, obwohl im Land Minderheiten, wie die 20 Prozent der palästinensischen Bürger, öffentliche Ämter und hohe Positionen bekleiden. Doppelte Standards zeigt – wie die Europäische Rabbinerkonferenz anmerkt – die Duldung der russisch-orthodoxen Kirche im Weltkirchenrat, die zum "heiligen Krieg" in der Ukraine aufrufe.
Der Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm betonte, dass er selbst nicht vom "System der Apartheid" sprechen wolle. Doch er schrieb auch den unheilvollen Satz von einer "unbedingten Solidarität mit Jüdinnen und Juden in aller Welt, die jetzt wegen des Handelns der israelischen Regierung antisemitischen Angriffen ausgesetzt sind". Damit verbindet sich die paradoxe Aussage: Einerseits differenziert man zwischen jüdischem Volk und Regierung, andererseits macht man die Juden selbst für Antisemitismus verantwortlich. Im Jubiläumsjahr von "Nostra aetate" ist diese Haltung eine Schande für die christlichen Kirchen.
Die Autorin
Agathe Lukassek ist Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Hildegardis-Verein mit Sitz in Bonn.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.