Standpunkt

Drei Lehren aus der Debatte um die Verfassungsrichter-Wahl

Veröffentlicht am 28.07.2025 um 00:01 Uhr – Von Christof Haverkamp – Lesedauer: 

Bonn ‐ Kirchenvertreter dürfen sich selbstverständlich zu brisanten politischen und bioethischen Themen äußern, meint Christof Haverkamp. Das gelte vor allem bei den Themen Lebensschutz und Menschenwürde – unter einer Bedingung.

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Auch wenn die polarisierende Debatte um die Richter-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf weitergeht, lassen sich schon jetzt Lehren aus den bisherigen Vorgängen ziehen. Die erste: Es ist immer besser, miteinander zu reden statt gleich öffentlich übereinander – und zwar möglichst frühzeitig. Zweite Lehre: Wer Kritik übt, sollte sich aus erster Quelle sachkundig machen und nicht in trüben Gewässern fischen, also in Krawall-Portalen. Drittens sind die Person und deren Ansichten voneinander zu trennen.

Klingt alles selbstverständlich, ist es aber keineswegs. Sonst wäre die aktuelle Diskussion nicht so unglücklich verlaufen und eine angesehene Staatsrechtlerin beschädigt worden. Denn Brosius-Gersdorf ist eine renommierte Juristin und keine linksradikale Aktivistin, wie ihr unterstellt wird.

Dennoch ist es legitim, kritische Fragen zu stellen. Nötig ist eine faire Streitkultur. Und ja, auch Bischöfe und andere Kirchenvertreter dürfen sich selbstverständlich zu brisanten politischen Themen öffentlich äußern und insbesondere zum Lebensschutz und zur Menschenwürde – vorausgesetzt, sie haben sich gründlich informiert. Und dass sich Bundestagsabgeordnete in bioethischen Fragen ihrem Gewissen verpflichtet fühlen, sollte man ihnen zugestehen und ihnen nicht vorwerfen. Wer allein auf die hässliche rechtspopulistische Kampagne gegen die Richter-Kandidatin verweist, macht es sich zu einfach.

Nun zur Frage, welche juristischen Auffassungen Brosius-Gersdorf beim ebenso emotionalen wie zentralen Thema Lebensschutz vertritt. Dazu hat sie sich zum Beispiel vor gut einem halben Jahr in einer Anhörung des Rechtsausschusses geäußert. Die Juristin bestreitet nicht den Rechtsanspruch des ungeborenen Lebens, aber sie geht in der Frühphase von einem geringeren Schutzniveau aus. Menschwürdeschutz und Lebensschutz seien rechtlich entkoppelt, meint sie. 

Ihre Auffassungen stehen im klaren Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und zur christlichen Haltung. Es ist gut, wenn dem obersten deutschen Gericht Juristen angehören, die nicht polarisieren.  Dass es Abgeordnete gibt, die Brosius-Gersdorf nicht allein wegen Haltung zur Menschenwürde für unwählbar halten, ist zu respektieren. In der Geschichte der Bundesrepublik sind auch schon andere Richter-Kandidaten abgelehnt worden.

Von Christof Haverkamp

Der Autor

Christof Haverkamp ist Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der katholischen Kirche in Bremen und Senderbeauftragter der katholischen Kirche bei Radio Bremen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.