Standpunkt

Mehr Inklusion tut der Kirche gut – und verändert sie

Veröffentlicht am 09.10.2025 um 00:01 Uhr – Von Dominik Blum – Lesedauer: 

Bonn ‐ Ein Gemeindemitglied in der Pfarrei von Dominik Blum wünschte sich nur eines – dazugehören zu dürfen. Das wurde zum Wendepunkt, schreibt er und kommentiert, Inklusion weit zu denken helfe allen Beteiligten und bringe neues Leben in den Kirchenraum.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

"Ich auch!" Dieser Satz drückt Axels große Sehnsucht aus. Er ist ein besonderer Mensch, der sich in unserer Pfarrei engagiert. "Ich auch", das bedeutet: Lasst mich mitmachen. Ich will dabei sein. Ihr dürft mich nicht übersehen. "Ich auch!" ist Axels Ruf nach Inklusion.

Wir haben lange gebraucht, um das zu verstehen. Zu lange eigentlich. Axel ist jeden Sonntag bei uns in der Kirche. Dass er oft unruhig und unzufrieden war, habe ich gemerkt. Dann hat er laut und ungehalten mit mir geredet. Aber ich konnte nicht verstehen, um was es ging. Nur "Ich auch!" Irgendwann haben wir ihm einen Korb in die Hand gedrückt für die Kollekte. Er hat stolz das Geld eingesammelt. Das war der erste Schritt – sein Ruf "Ich auch!" aber blieb. Bis wir verstanden haben: "Ich will auch ein Messdienergewand!" Seit er eines trägt im Gottesdienst, ist er ganz ruhig. Er erledigt im Altarraum kleine Dienste, geht mit den anderen großen Messdienern mit oder trägt das Kreuz in die Kirche. Keiner ist so andächtig wie er.

Es läuft dabei nicht immer alles rund: Manchmal küsst Axel den Altar, dann wieder will er Dinge tun, für die jemand anderer verantwortlich ist. Im Altarraum wird miteinander gesprochen, die Liturgen müssen flexibel sein, sich abstimmen. Das bringt auch Reibereien und Unruhe, wenn Axel dabei ist. Nicht allen im Gottesdienst gefällt das. Inklusion bedeutet: die Einzigartigkeit und Identität eines jeden Einzelnen bleiben gewahrt. Das ist etwas anderes, das ist mehr als Integration – hier müssen Menschen sich dem System anpassen, in dem sie mitmachen wollen. Inklusion lässt die Menschen so, wie sie sind – und wirkt darauf ein, dass sich das System verändert.

Inklusion verändert also Kirche. Wenn viele polnische Christen dabei sind, wird sonntags auch mal abwechselnd deutsch und polnisch gesprochen. Damit die orthodoxen griechischen und rumänischen Geschwister ihre liturgischen Geräte unterbringen können, haben wir einen Beichtraum geschlossen. Und weil die Menschen wenigstens während des Adventsmarktes in der Stadt unsere Kirche aufsuchen, akzeptieren wir zu dieser Zeit auch Glühwein, gebrannte Mandeln und kleine Hunde im Mittelschiff.

Inklusion weit denken – das hilft allen Beteiligten. Es bringt das echte Leben zurück in den Kirchenraum und sorgt für eine menschenfreundliche Atmosphäre.

Von Dominik Blum

Der Autor

Dominik Blum ist Pfarrbeauftragter in der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Artland im Bistum Osnabrück.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.