Eckholt zu Frauendiakonats-Text: Wünsche mir päpstlichen Freimut

Frauenverbände und Laienvertreter in Deutschland haben enttäuscht auf den Abschlussbericht der vatikanischen Studienkommission zum Diakonat der Frau reagiert. Im katholisch.de-Interview betont die Osnabrücker Dogmatik-Professorin Margit Eckholt, man müsse den Text sehr genau lesen. Warum der Text aus ihrer Sicht bemerkenswert ist – und was sie sich jetzt von Papst Leo XIV. wünscht.
Frage: Frau Eckholt, die theologische Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen nach derzeitigem Stand nicht zum Diakonat zugelassen werden können. Das bedeutet doch ein Stoppschild für Diakoninnen, oder?
Eckholt: Nein. Es ist der Abschlussbericht einer Kommission, deren erste Sitzungsperiode bereits im August 2016 von Papst Franziskus eröffnet wurde. Der Bericht fasst die Ergebnisse dreier Sitzungsperioden zusammen, die historisch und hermeneutisch-theologisch gearbeitet haben und die Eingaben an die Weltsynode zum Frauendiakonat durchgesehen und beraten haben. Es handelt sich um den Bericht einer Kommission, der an Papst Leo XVI. adressiert ist, also eventuell ein Dokument des Papstes und eine lehramtliche Entscheidung vorbereitet. Der Text selbst ist aus meiner Sicht kein Stoppschild, sondern eher eine Ermutigung, weiterzudenken und weiterzuarbeiten. Denn der Text ist bemerkenswert.
Frage: Inwiefern?
Eckholt: Im Abschlussbericht werden die sehr komplexen und spannungsreichen Debatten zu verschiedenen Thesen zum Frauendiakonat dargestellt, die in den drei Sitzungsperioden erarbeitet worden sind. Damit liegen zum ersten Mal auch Abstimmungsergebnisse zu den Beratungen dieser Kommission vor. Man sieht daran, dass auch die befürwortenden Stimmen für die Einrichtung eines sakramentalen Frauendiakonats – hinter die sich beispielsweise auch der Synodale Weg in Deutschland gestellt hat – differenziert besprochen wurden.
Zur Frage der Weihe von Frauen sei in der Vergangenheit bereits viel gearbeitet worden – dennoch brauche es weitere theologische Reflexion, betont Margit Eckholt. Sie ist Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Universität Osnabrück und gehört zum Vorstand des Netzwerks Diakonat der Frau.
Frage: Trotzdem kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass sie die Möglichkeit ausschließt, "in Richtung einer Zulassung von Frauen zum Diakonat als Stufe des Weihesakraments voranzuschreiten". "Im Lichte der Heiligen Schrift, der Tradition und des kirchlichen Lehramtes" sei diese Entscheidung "eindeutig". Das ist doch ein klares Nein.
Eckholt: Man muss den Abschlussbericht hier sehr genau lesen. Der Satz wird mit dem Hinweis fortgeführt, dass trotzdem heute noch kein "definitives Urteil" getroffen werden kann, wie es im Vergleich dazu bei der Priesterweihe der Fall sei. Es handelt sich bei den von Ihnen zitierten Sätzen um eine These, über die abgestimmt wurde (mit 7 zustimmenden Voten sowie einer Ablehnung), und die auch im Zusammenhang der voraufgegangenen Abstimmungen zu lesen ist. In der ersten Sitzungsperiode wurde über drei andere Thesen abgestimmt, in denen Annahmen zum Frauendiakonat als "dritter Grad des heiligen Ordo" formuliert wurden: contra, im Augenblick noch nicht angemessen und pro Einrichtung eines solchen Amtes. Da gab es keine eindeutigen Ergebnisse. Die Tendenz ist also, dass wir es weiterhin mit einer offenen theologischen Frage zu tun haben, zu der weitergearbeitet werden muss.
Frage: Sie haben selbst schon umfangreich zu diesem Thema geforscht und haben unter anderem am Handlungstext des Synodalen Wegs zu diesem Thema mitgeschrieben. Die Fakten liegen also seit Jahren auf dem Tisch. Ist der Papst hier – wie seine Vorgänger – einfach zu feige, eine verbindliche Entscheidung zu treffen?
Eckholt: Natürlich ist in dieser Frage schon viel gearbeitet worden, aber es braucht dennoch weitere theologische Vertiefung mit Blick auf die sakramentale Gestalt der Kirche im Zusammenhang mit der Diakonie. Hier öffnet der Abschlussbericht der Studienkommission die Tür für weitere Arbeiten zum sakramentalen Amt der Diakone, zur "Mission" des diakonischen Amtes in der Kirche und zur sakramentalen Qualität der Kirche. Das Dokument ist insofern auf dem Stand der aktuellen Debatten, als dass es im Grunde zwei unterschiedliche Perspektiven gibt: das Diakoninnenamt als eine der drei Weihestufen oder als sakramentales Amt "zum Dienst", abgekoppelt vom dreistufigen Weiheamt. Hier legt das Dokument offene amtstheologische Fragen vor – ohne selbst Antworten zu liefern.
Frage: Im Bericht wird am Rande auch das Thema Priesterweihe für Frauen angerissen. Dort heißt es, dass hierzu ein endgültiges Urteil bereits gefällt wurde. Ist das auch aus Ihrer Sicht so?
Eckholt: Der Text bleibt hier bei dem Urteil, das Papst Johannes Paul II. in "Ordinatio sacerdotalis" (1994) gefällt hat. Es liegen bereits viele kirchenrechtliche Studien vor, welche Qualität dieses definitive Urteil hat. Ich denke, dass bei jedem "definitiven" Urteil die theologischen Begründungsfiguren angefragt werden dürfen, und das betrifft hier die nur Männern vorbehaltene Christusrepräsentanz im sakramentalen Amt. Die Debatten um die Anthropologie, auch um die Metaphorik von der Kirche als Braut, müssen aus meiner Sicht weitergeführt werden. Denn so eindeutig, wie das hier im Hinblick auf die Nichtzulassung von Frauen zum Priesteramt formuliert wird, ist es nicht. Es liegen viele Texte der biblischen und kirchlichen Tradition vor, so auch in der Patristik und der mittelalterlichen Theologie und Mystik, die allen Geschlechtern eine gleiche Würde zuerkennen und die viel grundlegender sind als die sich auf "Ordinatio sacerdotalis" berufenden theologischen Begründungsfiguren und die sie prägende geschlechtliche Metaphorik.
Hat Studienabschlüsse in Theologie, Philosophie und Psychologie: Kardinal Giuseppe Petrocchi, emeritierter Erzbischof von L'Aquila in Italien. Im Auftrag von Papst Franziskus leitete er zuletzt die Studienkommission zum Diakonat der Frau.
Frage: Der Text legt in seiner Schlussbetrachtung nahe, lieber durch eine Laienaufwertung Frauen einzubinden oder gegebenenfalls neue Laienämter zu schaffen als den Frauendiakonat als Weihestufe einzuführen. Ist das nicht eine realistischere Perspektive?
Eckholt: Das eine schließt aus meiner Sicht das andere aber überhaupt nicht aus: Seit demZweiten Vatikanischen Konzil haben wir de facto eine Pluralisierung von Laienämtern in allen Weltregionen. Im deutschsprachigen Raum etwa ist das Amt des Pastoralreferenten eingerichtet worden, das auch Frauen ausüben können und für das das gleiche Studium wie für das Priesteramt notwendig ist. Dieses Amt gibt es weltweit sicherlich nicht überall in gleicher Weise, darum war es von Bedeutung, dass Papst Franziskus nach der Amazonassynode die auf Dauer einzurichtenden Laienämter Lektorat und Akolythat sowie das Amt des/der Katecheten eingeführt hat und diese auch für Frauen geöffnet. Eine weitere Ausdifferenzierung von Laienämtern ist sicher hilfreich in einer immer komplexer werdenden kirchlichen und gesellschaftlichen Lage. Das könnte natürlich auch den Weg zur Einrichtung eines nicht-sakramentalen diakonischen Amtes für Frauen bereiten. Aber heute wird niemand mehr verstehen können, dass es ein Diakonenamt für Männer gibt, das sakramental ist, und eines für Frauen, das nicht sakramental ist. Das ist also keine schlüssige Perspektive.
Frage: Die Ergebnisse der Kommission liegen jetzt bei Papst Leo XIV. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass es hier zeitnah eine positive Antwort des Papstes geben wird?
Eckholt: Meine Hoffnung ist, dass von römischer Seite noch einmal der Anstoß für eine vertiefte theologische Arbeit gegeben wird, zusammen mit Vertretern der ständigen Diakone, mit diakonisch tätigen Frauen und Theologinnen und Theologen weltweit zu reflektieren, worin die sakramentale Qualität des Diakonenamtes liegt und was das überhaupt mit geschlechteranthropologischen Fragen zu tun hat. Nur so kann man auf Dauer aus der in unserer Zeit nicht mehr stimmigen geschlechtlichen Fixierung und Exklusion mit Blick auf die Weihe herauskommen.
Frage: Und welchen Wunsch haben Sie persönlich?
Eckholt: Der Präsident der Kommission, Kardinal Giuseppe Petrocchi, spricht in seiner Schlussbetrachtung von "'parresia' evangelica", also von evangelischem Freimut. Das ist etwas, das ich mir von Papst Leo XIV. und allen Beteiligten wünsche: dass die weiteren theologischen Reflexionen synodal und offen gestaltet werden und Frauen aus aller Welt einbezogen werden, vor allem auch Frauen, die an vielfältigen Orten – in der Begleitung von Kranken, von alten Menschen, von Frauen in Not und so weiter – bereits diakonisch tätig sind und dies aus einer diakonischen Berufung tun. Dass dieser Bericht veröffentlicht wurde und Anstöße für weitere theologische Arbeiten und die Vertiefung der "in der Taufe gründenden Diakonie" gegeben hat, ist aus meiner Sicht ein erster Schritt.