Papst gucken geht immer

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Alle wollen Auschwitz gesehen haben. Das Interesse am früheren Konzentrationslager ist riesig. Einzelne werden nicht mehr hereingelassen. Wer die Gedenkstätte in diesen Tagen sehen will, muss sich einer der Gruppen anschließen, die sich während des Weltjugendtages bis zum Sonntag vom 60 Kilometer entfernten Krakau zum Besuch in Auschwitz aufmachen. Doch insgesamt sind die Teilnehmerzahlen des Weltjugendtages hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Gut eine halbe Million Anmeldungen hatte die katholische Kirche in Polen erwartet. Es sind gerade einmal 365 000 geworden. Und nur 78.000 aus dem eigenen Land. 12.000 Jugendliche sind aus Deutschland angereist. Damit wird Krakau zu den kleinen Weltjugendtagen gehören.
Die gekommen sind, gestalten ihr eigenes Programm. 250 Events verzeichnet allein das Jugendfestival. Die wenigsten müssen noch überzeugt werden. Sie lauschen mehr oder weniger den Vorträgen der Bischöfe, die in der katholischen Kirche "Katechesen", also Unterricht, heißen. Sie gehen die blutbefleckte Soutane von Papst Johannes Paul II. gucken, die er trug, als der Attentäter Ali Ağca vor 35 Jahren auf ihn schoss. Und eine der Blutampullen aus der römischen Gemelli-Klinik, mit denen der Krakauer Erzbischof Stanisław Dziwisz eine weltweite Johannes-Paul-Verehrung entfacht hat. Ihre Schubkraft hat die Heiligsprechung des polnischen Papstes 2014 ungemein befördert. Klar, dass dieser Papst, der vor seiner Wahl 1978 ebenfalls Erzbischof in Krakau war, in Polen geradezu ein Nationalheiliger geworden ist. Blut und Tuch seien "Zeichen seiner realen Präsenz" unter den Jugendlichen, schwärmt das Portal zum Weltjugendtag. Und, nicht zuletzt: Johannes Paul II. hat das Treffen überhaupt erst erfunden.
Unterbrochen wurde die beginnenden Festivalatmosphäre, als am Dienstag die Nachricht vom brutalen Anschlag in einer Kirche im französischen Saint-Etienne-du-Rouvray die Runde machte. Dominique Lebrun, der Erzbischof von Rouen, kehrte aus Krakau zurück. "Mit allen Menschen guten Willens weine ich zu Gott", erklärte Lebrun noch auf dem Weltjugendtag, bevor er abreiste. Natürlich ist Papst Franziskus die Hauptattraktion. Dafür wurde der Weltjugendtag ja eigens ins Leben gerufen: Damit man den Papst sehen kann. Katholiken glauben mit den Augen. Dass die katholischen Bischöfe Polens ein bisschen mit ihm hadern, weil er so liberal sein kann und die katholische Kirche zu wenig von anderen Kirchen und Religionen abgrenzt, spielt gar keine Rolle mehr, sobald er leibhaftig auftaucht. Denn sein Licht bescheint auch die Gastgeber.
Die wissen das und nutzen es klug zur Selbstdarstellung. Erzbischof Dziwisz wies eigens auf die Großzügigkeit der Kirche und des Landes hin: Es werde zu Unrecht der Abschottung gegen Flüchtlinge verdächtigt. Im März, nach den Anschlägen von Brüssel, hatte Ministerpräsidentin Beata Szydło ihre Zusage zurückgezogen, in diesem Jahr 400 Flüchtlinge aufzunehmen. Aber das Land habe doch vorher so viele Ukrainer aufgenommen, hielt Dziwisz dagegen. Er weiß, dass das nicht richtig ist. Denn die meisten der 52.000 Ukrainer in Polen sind Studenten und Gastarbeiter, oder sie haben einen polnischen Migrationshintergrund.