Nadine Mersch ist Mitglied im Wahlgremium für einen neuen Erzbischof

Paderborner Laienvertreterin zur Bischofswahl: Synodaler Wille ist da

Veröffentlicht am 10.10.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Paderborn ‐ Nach der Emeritierung von Hans-Josef Becker als Erzbischof von Paderborn geht es für das Wahlgremium nun darum, mögliche Nachfolger zu finden. Zum ersten Mal werden bei diesem Prozess auch Laien beteiligt. Nadine Mersch ist eine von ihnen und spricht im katholisch.de-Interview über die Beratungen.

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Wenn es um die Umsetzung der Reformpapiere des Synodalen Wegs geht, schauen derzeit viele nach Paderborn. Nach dem angenommenen Rücktrittsgesuch von Erzbischof Hans-Josef Becker sollen hier zum ersten Mal auch Laien bei der Auswahl des künftigen Erzbischofs beteiligt werden. Ein Wahlgremium aus 14 Domkapitularen und 14 Laienvertretern hat sich bereits einmal getroffen und ein Anforderungsprofil für den künftigen Diözesanbischof aufgestellt. Nadine Mersch ist Teil der Synodalversammlung des Synodalen Wegs und Vorsitzende des Diözesankomitees im Erzbistum Paderborn. Als solche wurde sie als Vertreterin in das Wahlgremium entsendet. Im katholisch.de-Interview spricht Mersch über die Atmosphäre beim Treffen und darüber, wie es jetzt weitergeht. 

Frage: Frau Mersch, Sie sind Teil des Gremiums für die Wahl eines künftigen Paderborner Erzbischofs. Wie erleben Sie die Beratungen mit dem Metropolitankapitel – also mit dem Gremium, das bisher allein die Abstimmungen vor Bischofswahlen getroffen hat?

Mersch: Ich habe unser erstes Treffen und die Atmosphäre als wirklich ausgesprochen positiv erlebt. Natürlich gab es ein bisschen Aufregung, aber das ist sicherlich normal, weil auch die meisten der Domkapitulare selbst vermutlich noch keine Bischofswahl vorbereitet haben. Es ist also insgesamt für alle neu. Wir haben gut und offen miteinander gesprochen und suchen gemeinsam als Priester und Laien gute Vorschläge für die Zukunft des Erzbistums. Das, was das Domkapitel immer betont hat, war spürbar: Sie wollen diesen Impuls, der aus dem Synodalen Weg herausgekommen ist, ernsthaft aufgreifen.

Frage: Haben Sie den Eindruck, dass Sie da ungern in einen Machtbereich gelassen werden von Klerikern, die sonst unter sich abgestimmt haben, wer auf die Vorschlagsliste für den nächsten Erzbischof kommt?

Mersch: Dieses Empfinden habe ich nicht. Sicher gibt es Unterschiede und jeder empfindet anders, was es bedeutet, dass jetzt Laien dabei sind. Ich glaube, uns ist allen klar, dass es hier um eine entscheidende Leitungsposition für unser Erzbistum geht, die wir suchen. Ob man das Macht nennt oder nicht: Letztlich geht es darum, eine machvolle Position zu besetzen und genau darüber haben wir auch gesprochen. 

Frage: Sie sind selbst Teil der Synodalversammlung, die diese Form der Laienbeteiligung erst auf den Weg gebracht hat. Inwiefern erleben Sie denn die Vorbereitung auf die Bischofswahl als gelebte Synodalität?

Mersch: Ich habe unser erstes Treffen als gemeinschaftlich und kollegial und in diesem Sinne auch als wirklich synodal empfunden. Gleichzeitig merken wir, dass wir Synodalität noch lernen. Meine Kritik am Verfahren zur Bildung des Gremiums erhalte ich aufrecht, so positiv ich den weiteren Weg auch finde. Wir merken, dass gewisse Dinge, die für uns beispielsweise in den Verbänden oder auch in anderen demokratischen Zusammenhängen vollkommen klar sind, in dieser Offenheit zumindest relativ neu sind. Etwa, wenn es darum geht, ab wann jemand befangen ist, oder was ich über eine Person wissen muss, um sie vorzuschlagen. Der Dompropst, der das Ganze ja maßgeblich leitet, möchte aus meiner Sicht auch dieses Lernen unterstützen und ist offen für Erfahrungen aus anderen Zusammenhängen.  Ich finde, dass wir hier in Paderborn gerade etwas machen, aus dem wir gut für andere Diözesen und auch für die Kirche in Deutschland insgesamt lernen können. Denn eine Musterordnung oder zumindest ein Leitfaden für Bischofswahlen steht ja noch aus und aus unserem Prozess können wir dazu einiges beitragen.

Bild: ©picture alliance/Daniel Kalker

Es wäre ein "enorm wichtiges Zeichen des Vatikan", wenn auch Laien bei der endgültigen Wahl des Erzbischofs aus der Dreierliste des Papstes beteiligt würden, sagt Nadine Mersch. "Wie wahrscheinlich das ist, kann ich nicht sagen."

Frage: Wie sehen denn jetzt die konkreten nächsten Schritte aus? Ein erstes Treffen gab es bereits. Was steht jetzt als nächstes an?

Mersch: Als nächstes steht an, dass wir gemeinsam Vorschläge sammeln und erörtern, welche Personen letztlich auf die Vorschlagsliste kommen.

Frage: Gibt es dafür schon konkrete Vorgaben, wie viele Namen etwa jeder mitbringt?

Mersch: Das ist etwas, was gerade noch entwickelt werden muss. Wir haben noch keine Checkliste gemacht, was mitgebracht werden muss. Das meine ich mit dem Lernen: Es gibt noch keine Vorlage dafür, deswegen entwickeln wir das im Laufen. Ich hoffe, dass wir da noch ein bisschen weiterkommen, auch was Formalia angeht. Einige haben bereits angekündigt, dass sie in ihren jeweiligen Kontexten sprechen werden und ich kann persönlich auch sagen, dass mir schon der ein oder andere Name zugerufen wurde. Das wird wahrscheinlich bei allen so sein. Und dann muss man natürlich gut schauen, wie man damit verantwortlich umgeht, wen man in diesem Gremium vertritt und hinter welche Vorschläge man sich stellen kann.

Frage: Ein Knackpunkt ist weiterhin nicht geklärt, weil er nicht in Deutschland geklärt werden kann: Die Frage, ob auch Laien aus der Dreierliste des Papstes den künftigen Erzbischof auswählen dürfen. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass das klappt?

Mersch: Die Öffnung der Wahl für Laien wäre ein enorm wichtiges Zeichen des Vatikan, dass sie es ernst meinen, Synodalität in unserer Kirche stärken zu wollen. In diesem Sinne ist meine Hoffnung groß; aber natürlich habe ich bislang noch kein Signal wahrgenommen, dass der Vatikan es zulassen wird. Das schmälert meine Hoffnung ein wenig. Wie wahrscheinlich das ist, kann ich nicht sagen.

Anforderungsprofil und Bischofswahl

Team- und Kooperationsfähigkeit, Besuchsbereitschaft in den Gemeinden vor Ort, Kontinuität in der Fortführung angestoßener Prozesse, wertschätzender Umgang mit allen Menschen, Belastbarkeit sowie eine offenes Ohr für alle Menschen – das sind nur einige der Eigenschaften, die das Paderborner Wahlgremium für das Profil des künftigen Erzbischofs nennt.

Die 28-köpfige Gruppe hat den Auftrag, eine Liste mit geeigneten Kandidaten für das Bischofsamt an den Heiligen Stuhl zu schicken. Das für das Erzbistum Paderborn gültige Preußische Konkordat sieht im Anschluss daran folgendes Procedere vor: Der Heilige Stuhl nennt "unter Würdigung" der Vorschläge dem Domkapitel drei Kandidaten (die nicht mit den vorgeschlagenen übereinstimmen müssen), aus denen das Domkapitel dann in freier und geheimer Abstimmung den Erzbischof auswählt. Dieser wird anschließend vom Papst ernannt. 

Frage: Was wäre denn, wenn es nicht klappt und die tatsächliche Wahl nur dem Metropolitankapitel erlaubt wird?

Mersch: Dann wäre aus meiner Sicht trotzdem die Frage, wie wir in Paderborn damit umgehen. Es könnte ja durchaus auch Lösungen geben, wie man an dieser Stelle Laien in irgendeiner Weise berücksichtigt, ohne dass sie an der Wahl beteiligt werden. Da wäre dann noch einmal Kreativität gefragt. Aber natürlich sollte das Verfahren nicht angreifbar sein, denn der neue Erzbischof soll nicht von vornherein mit diesem Dissens in sein Amt starten. Ich hoffe erstmal, dass die Laien mitwählen dürfen.

Frage: In Paderborn haben Sie eine gewissen Pionierrolle, was die Umsetzung eines Synodalbeschlusses angeht. Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?

Mersch: Verbesserungspotenzial sehe ich nach wie vor in der Frage, wie man Laien verlässlich strukturiert beteiligen kann. Es sollte keine Losentscheidung geben, sondern eine Mandatierung. Zudem sollte ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter und Generationen verbindlich sein. Dann fehlt uns noch ein gewisses Reglement, wie beispielsweise ein Vorschlag aussehen muss oder welche Information man über eine Person braucht, die man vorschlagen möchte. Außerdem sind bei uns jetzt zwei Treffen vorgesehen, vielleicht einigt man sich noch auf ein drittes. Aber das ist für so einen Prozess, in dem wir uns der Frage annähern, welches Profil der Bischof braucht und welche Menschen wir momentan sehen, die für dieses Amt geeignet wären und dann irgendwann eine Liste zusammenzustellen, zu kurz. Man bräuchte ein bisschen mehr Zeit – gerade, wenn man eine Gruppe hat, die sonst nicht miteinander arbeitet. Zudem müsste man konsequenterweise auch bei der Wahl des Diözesanadministrators künftig die Laien beteiligen. Das ist momentan – auch beim Synodalen Weg – noch gar nicht bedacht worden. Da fällt auf, dass es da wieder "nur" das Domkapitel war.

Frage: Und wie lautet ihr Zwischenfazit?

Mersch: Atmosphärisch haben wir einen guten Einstieg gehabt. Im Sinne echter Partizipation gibt es sicher noch Luft nach oben, aber was einen Willen zur Synodalität angeht, ist mein Fazit recht positiv.

Von Christoph Brüwer