Standpunkt

Den Deutschen sollte Israel nicht egal sein

Veröffentlicht am 31.01.2023 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Matthias Drobinski macht sich Sorgen um die Demokratie in Israel angesichts der kürzlich angetretenen rechten Regierung. Die Verbündeten des Landes dürften nun nicht schweigen, kommentiert er – Regierungskritik dürfe man nicht den Antisemiten überlassen.

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Man muss sich große Sorgen machen um die Demokratie in Israel. Noch nie in der bald 75-jährigen Geschichte des Landes stand ein Regierungsbündnis so weit rechts. Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der den Machterhalt als Selbstzweck betreibt, hat sich mit Fanatikern, Rassisten und verurteilten Straftätern verbündet, auch, um einem Korruptionsverfahren gegen sich zu entgehen. Einen Monat erst ist diese Regierung im Amt. Und schon jetzt plant sie eine Justizreform, die das Ende der Gewaltenteilung anstrebt. Schon jetzt kursieren Vorschläge, dass Hoteliers und Gastronomen aus "religiösen Gründen" queere Menschen nicht mehr bedienen müssen oder solche, die ihnen irgendwie palästinensisch vorkommen. Schon dreht sich in Ost-Jerusalem und der besetzten Westbank die Spirale der Gewalt, weil auf palästinensischer wie auf israelischer Seite die Militanz die Herrschaft übernommen hat.

Zahlreiche Intellektuelle, Wissenschafterinnen, Experten aus dem deutschsprachigen Raum haben sich nun mit ihren Kolleginnen und Kollegen solidarisiert, die derzeit in Israel gegen diese Regierung protestieren, initiiert hat diesen Protest Meron Mendel, der Direktor des Frankfurter Anne-Frank-Zentrums. Es ist ein notweniger Protest gegen die Ausverkäufer der Demokratie in Israel, aber auch gegen das achselzuckende Abwenden, das in Deutschland derzeit um sich greift: Da hinten im Nahen Osten schlagen sie sich den Schädel ein, da kann man nichts machen. Es sollte den Deutschen aber nicht egal sein, was in Israel geschieht. Es droht eine autoritäre Regierung jenes Land in den Abgrund zu reißen, das nach der Shoah für Juden auf der ganzen Welt ein sicherer Hafen wurde – und bis heute. Sie verspielt gerade jeglichen moralischen Kredit, indem sie die illegale Landnahme und Vertreibung der Palästinenserinnen und Palästinenser in den besetzen Gebieten durch die Siedler schützt und unterstützt. Dass die mehrheitlich palästinensischen Christinnen und Christen im Heiligen Land immer stärker zwischen die Fronten der doppelten Radikalisierung geraten, ist nur eine weitere Facette dieser Entwicklung.

Es dürfen nun gerade die Verbündeten Israels nicht schweigen: Deutschland, Europa, die Vereinigten Staaten. Es müssen nun auch gerade die Menschen reden, die sich mit Israel verbunden sehen; auch deshalb ist die Initiative von Meron Mendel so wichtig. Die Kritik an dieser Regierung Netanjahu sollte nicht den Antisemiten von links und rechts überlassen werden, die immer schon wussten, dass "der Jude" oder "der Israeli" "so" ist.

Von Matthias Drobinski

Der Autor

Matthias Drobinski ist Chefredakteur der Zeitschrift "Publik-Forum".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.