Priester in Washington sollen künftig Beichten über Kindesmissbrauch melden

Dieses Gesetz stellt den Kinderschutz über das Beichtgeheimnis

Veröffentlicht am 12.06.2025 um 00:01 Uhr – Von Thomas Spang (KNA) – Lesedauer: 

Washington ‐ Ein Gesetz im Bundesstaat Washington verpflichtet Priester künftig, Beichten über Kindesmissbrauch zu melden. Doch schränkt das nicht die Religionsfreiheit ein? Katholiken in den USA haben dazu verschiedene Ansichten.

  • Teilen:

Die Reaktion fiel eindeutig aus. "Wir müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen", kritisierte der Erzbischof von Seattle, Paul Dennis Etienne, ein neues Gesetz im Bundesstaat Washington. Es verpflichtet Priester, das Beichtgeheimnis zu brechen, wenn Kindesmissbrauch gestanden wird.

Der demokratische Gouverneur Bob Ferguson hatte das Gesetz "S.B. 5375" im Mai unterzeichnet, nachdem es das Repräsentantenhaus und den Senat mit deutlichen Mehrheiten passiert hatte. Erzbischof Etienne, die Bischöfe Thomas Daly von Spokane und Joseph Tyson von Yakima reichten dagegen Klage ein.

Das Gesetz soll am 27. Juli in Kraft treten. Obwohl die neuen Vorschriften für alle Religionen gelten, treffen sie besonders die katholische Kirche. "S.B. 5375 bringt Priester in eine unmögliche Lage", sagte der Kirchenrechtler Bryan Pham der "New York Times". Ihnen drohe "entweder Gefängnis oder die Exkommunikation".

Priester vor Dilemma

Nach dem römisch-katholischen Kirchenrecht unterliegen Beichten absoluter Geheimhaltung. Priester, die dagegen verstoßen, sind automatisch exkommuniziert, also aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund kritisieren Kirchenvertreter in Washington das Gesetz als Angriff auf die in der Verfassung verankerten Religionsfreiheit. Es handele sich um ein "antikatholisches Gesetz", das Priester dazu zwinge, sich zwischen dem kirchlichen und dem weltlichen Recht zu entscheiden, heißt es.

Dies sei ein Dilemma für die rund 250 Priester und Ständigen Diakone im Erzbistum Seattle. Deren Pflichten als Bürger und Seelsorger würden gegeneinander in Stellung gebracht. Natürlich seien Priester verpflichtet, Kindesmissbrauch anzuzeigen, so Erzbischof Etienne. Aber nicht, wenn diese Informationen "während der Beichte erlangt werden".

„Wir wissen, dass Kinder durch die Verabschiedung dieses Gesetzes sicherer sein werden.“

—  Zitat: Mary Dispenza, Mitbegründerin vom Catholic Accountability Project

Das sieht das US-Justizministerium der Regierung Donald Trump offenbar ähnlich und leitete eine Untersuchung ein. Im Zentrum der Überprüfung soll der "offensichtliche Konflikt" des Gesetzes mit der verfassungsrechtlich garantierten Religionsfreiheit stehen.

Thomas Plante, Psychologe an der Santa Clara University und Experte für Kindesmissbrauch durch Geistliche, sagte dem Sender CBS, die Aufhebung des Beichtgeheimnisses könne unbeabsichtigt negative Auswirkungen haben. Seiner Erfahrung nach ermutige die absolute Vertraulichkeit, die bei kirchlichen Beichten gilt, Menschen dazu, ihre Taten gegenüber einem Priester zu gestehen. Dieser könne sie dann an einen Psychologen weiterleiten, der sie wiederum den Behörden melden könne. Ohne eine Garantie des Beichtgeheimnisses würden Priester in Washington die Beichte möglicherweise gar nicht mehr abnehmen und die Menschen stattdessen an Priester in Nachbarstaaten verweisen.

Auch in anderen Bundesstaaten

Washington ist nicht der erste Staat, der ein Gesetz zu diesem Thema erlässt. Laut dem Jesuiten-Magazin "America" verlangen auch die Staaten New Hampshire, North Carolina, Oklahoma, Texas und West Virginia bereits von Geistlichen, in einer Beichte erlangte Informationen über sexuellen Missbrauch zu melden. 2023 wurden entsprechende Gesetzesentwürfe demnach auch in die Parlamente von Delaware, Hawaii, Utah und Vermont eingebracht. In keinem dieser Staaten gelangten sie jedoch bis zum Schreibtisch des Gouverneurs. Und Washington ist eben Washington.

Nicht alle Katholiken protestieren gegen das neue Gesetz. So stellt das "Catholic Accountability Project" den Schutz der Kinder vor Missbrauch über das Beichtgeheimnis. Bereits seit Jahren hatte sich die Organisation für das Gesetz starkgemacht. Für Mary Dispenza, Mitbegründerin des Projekts, ist das Inkrafttreten ein Schritt in die richtige Richtung: "Wir wissen, dass Kinder durch die Verabschiedung dieses Gesetzes sicherer sein werden."

Von Thomas Spang (KNA)