Standpunkt

Es gilt das gesprochene Wort

Veröffentlicht am 28.08.2025 um 00:01 Uhr – Von Werner Kleine – Lesedauer: 

Bonn ‐ Heute gedenkt die Kirche des heiligen Augustinus, einem Kirchenlehrer, der bis heute die Theologie prägt. Doch Augustinus steht auch für etwas ganz Praktisches – das gesprochene Wort. Warum das wichtig ist, kommentiert Werner Kleine.

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Heute feiert die Kirche den Gedenktag des heiligen Augustinus – Konvertit, Bischof, Kirchenlehrer. In jungen Jahren Manichäer bekehrte er sich später zum Christentum. Ob er den manichäischen Dualismus, die strenge Unterscheidung von Licht und Finsternis, Gut und Böse, Geist und Materie, mit der Konversion überwunden hat? Das Christentum betont wie das Judentum doch die Einheit von Seele und Leib. Eine vom Leib befreite Seele ist undenkbar. Diese Frage ist nicht unerheblich, wenn man an die von ihm formulierte Erbsündenlehre und die damit einhergehende Geringschätzung der Sexualität denkt. Seine Schriften sind bis heute für die Sexualethik der Kirche prägend.

Allerdings gibt es ein Problem: Augustinus hat seine Gedanken nicht im luftleeren Raum entwickelt. Andere zeitgenössische theologische Konzepte genießen allerdings nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Dabei wurde der Diskurs zur Zeit des Augustinus durch das gesprochen Wort ausgetragen. Das ist nicht unerheblich. Schließlich schaut Augustinus selbst mit einer Mischung aus Bewunderung und Befremden auf die Fähigkeit des Ambrosius leise zu lesen (vgl. Confessiones 6,3).

Das bedeutet wohl, dass Augustinus selbst pflegte, laut zu lesen. Das ist alles andere als irrelevant. Schrift besteht aus (in der Regel) schwarzen Strichen auf hellem Grund. Die Buchstaben halten still. Sie setzen selbst keine Betonungen, kennen keinen ironischen Sprachgestus und keine stimmlichen Stimmungen. Sie leben nicht, wollen aber zum Leben erweckt werden. Selbst wenn man still liest, imaginieren die Lesenden einen inneren Vortrag – und der kann von Leserin zu Leser höchst unterschiedlich sein. Sie können es beim Lesen dieses Textes selbst ausprobieren: Wie hat Jesus die Antwort auf die Frage des Pilatus in Joh 18,37, ob er der König der Juden sei, betont? "Du sagst es" – mit Betonung auf dem "Du" oder dem "sagst"? Das ist für den Sinn der Aussage alles andere als unerheblich.

So ist es auch mit den Schriften des Augustinus. Wie hat er seine Gedanken betont. Hat er etwa die Lehre von der Erbsünde etwa mit einer Prise Ironie gewürzt? Oder war es ihm so ernst, wie man es heute meint? Wir wissen es nicht! Dabei ist das gerade dann wichtig, wenn man aus toten Buchstaben allgemeingültige Lehren formuliert, mit denen man das Privateste der Menschen beeinflussen möchte. Auch hier sollte man beachten, dass eben das gesprochene Wort gilt. Wie hat dieser Mann aus Nordafrika wohl tatsächlich geklungen? Ich wüsste es zu gerne …

Von Werner Kleine

Der Autor

Dr. Werner Kleine ist Pastoralreferent im Erzbistum Köln und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.