Reaktionen auf geplante wissenschaftliche Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch

"Bedeutender Meilenstein"

Veröffentlicht am 25.03.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Studie

Bonn ‐ Die Zustimmung für das interdisziplinäre Projekt, das die katholischen Bischöfe zur Erforschung sexuellen Missbrauchs in der Kirche in Auftrag gegeben haben, ist groß. Vertreter aus Politik und Kirche begrüßen die Anerkennung der Opfer und die Signalwirkung für die Bundespolitik. Kritik wird jedoch an der zu geringen Einbindung von Missbrauchsopfern in den Arbeitsprozess laut.

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"Durch die Aufarbeitung wird die Situation der Opfer ernstgenommen und ihr erlittenes Leid anerkannt", sagt Elisabeth Bußmann, Präsidentin des Familienbundes der Katholiken, über die geplante Studie. Sie wünsche sich "vollständige Transparenz" und eine Begleitung des Forschungsvorhabens durch die Opfer. Bußmann, die der von der Bundesregierung einberufenen Arbeitsgruppe "Runder Tisch zu sexuellem Missbrauch" angehörte, erwartet eine "Untersuchung der Strukturen und Dynamiken, die den Missbrauch begünstigt und gefördert haben". Außerdem sollen die Ergebnisse Hinweise auf eine wirksame Prävention liefern.

Für die Täter bedeute das Forschungsprojekt dagegen die Offenlegung ihres schuldhaften Verhaltens, die Chance der Auseinandersetzung damit und Übernahme von Verantwortung, sagte die Präsidentin des Familienbundes. "Die katholische Kirche hat durch die Missbrauchsfälle ihr wichtigstes Kapital, ihre Glaubwürdigkeit, eingebüßt", so Bußmann. Jetzt müsse sie alles tun, um glaubwürdig an der Seite der Opfer zu sein und gleichzeitig in Zukunft Missbrauch zu verhindern.

Missbrauchsbeauftragter: Wichtiges Signal an Bundespolitik

Als "gesamtgesellschaftlich bedeutenden Meilenstein" bezeichnete der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, das Forschungsprojekt am Montag in Berlin. Zudem sei das Vorhaben ein wichtiges Signal an die Politik auf Bundesebene, eine umfassende und unabhängige Aufarbeitung von Missbrauch auf den Weg zu bringen. Positiv sei auch, dass ein Vergleich mit nationalen und internationalen Ergebnissen von weiteren Studien der katholischen Kirche geplant sei.

Ältere Frau mit Brille und kurzen Haaren
Bild: ©KNA

Elisbath Bußmann ist Präsidentin des Familienbundes der Katholiken.

Zugleich betonte Rörig, es sei schade, dass die Betroffenen bisher nicht stärker einbezogen worden seien. "Es wäre schön gewesen, wenn eine Rückkopplung bereits im Vorfeld stattgefunden hätte", so der Missbrauchsbeauftragte. Auch der Sprecher der Betroffeneninitiative Eckiger Tisch, Matthias Katsch, kritisierte, dass die Kirche erneut die Chance verpasst habe, die Betroffenen einzubeziehen. Es habe in den Vorbereitungen nicht einmal den Versuch gegeben, auf Betroffenenvertreter zuzugehen, so Katsch.

Der Hannoveraner Kriminologe Christian Pfeiffer, der ursprünglich mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung betraut war, hat die Neuvergabe des Projekts unterdessen begrüßt. Die Kirche habe offenbar aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, sagte er am Montag dem Radiosender NDR Kultur. Den Ansatz, vor allem Tiefenforschung durch qualitative Interviews mit Tätern und Opfern zu betreiben, finde er richtig, sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen.

Pfeiffer: Kein Zensur-Risiko bei neuem Projekt

Es bestehe angesichts der sehr respektablen Wissenschaftlergruppe, die mit dem Projekt beauftragt sei, auch nicht mehr das Risiko, dass die Kirche ernsthaft an Zensur denke, fügte Pfeiffer hinzu. Offen sei allerdings, ob wirklich die Akten in dem erhofften Maß zur Verfügung gestellt würden und ob einzelne Bischöfe abspringen könnten, wenn ihnen das Vorgehen nicht passe.

Dass die Perspektiven der Opfer bereits beim ersten Aufarbeitungsversuch berücksichtigt und auf das neue Forschungsprojekt übertragen worden seien, entgegnete Bischof Stephan Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, der Kritik. Zudem erklärte der Leiter des Forschungsteams, Harald Dreßing, bei der Vorstellung des Projekts, dass der Austausch mit Betroffenen des Missbrauchs fester Bestandteil sein solle. Sie seien die eigentlichen Experten. (bod/KNA)

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