Eichstätter Bischof warnt vor Auseinanderdriften der Gesellschaft

Hanke: AfD-Wähler fühlen sich abgehängt

Veröffentlicht am 03.10.2016 um 09:24 Uhr – Lesedauer: 
Bistum Eichstätt

Bonn/Nürnberg ‐ Hinter den Wahlerfolgen der AfD sieht der Eichstätter Bischof Hanke ein tiefgreifendes gesellschaftliches Problem. Dies berge eine Gefahr für ganz Europa. Die Politik habe nun eine klare Aufgabe.

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Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke erklärt den Aufstieg der AfD mit dem Gefühl vieler Menschen, abgehängt zu werden und ohne Perspektive zu sein. Hanke sagte den "Nürnberger Nachrichten" (Montag): "Ich höre hinter dieser Protestwählerschaft einen Schrei von Menschen, die unter die Räder gekommen sind." Die AfD sei ein Symptom für ein Auseinanderdriften der Gesellschaft.

In wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht gebe es ein neues Prekariat. "Ich denke hier an die Dienstleistungsbranche, wo es häufig keinerlei Aufstiegsmöglichkeiten gibt, wo der Einstieg in den Job oft schon das Ende der Fahnenstange bedeutet. Und dann gibt es im Mittelstand ein Auseinanderdriften", erläuterte der Bischof. "Deshalb haben wir diese relativ bunte Zusammensetzung der Protestwähler - die sich auch in der Linken sammeln. Dazu zählen auch die Enttäuschten, die etwa nach einem Studium feststellen, dass der Werksmeister in einer Autofabrik mehr verdient als sie."

Der Bischof sieht in diesen Auseinanderdriften eine große Gefahr für Deutschland und Europa. Die Flüchtlinge seien nur einer von vielen Faktoren bei dieser Entwicklung. Verantwortlich seien auch die Enttäuschung, die Perspektivlosigkeit und die Verunsicherung vieler Menschen. "Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass sie wahrgenommen werden, das müssen die Politiker verstehen", betonte Hanke. Man habe auf solche Phänomene viel zu lange mit dem erhobenen Zeigefinger reagiert.

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Geht es nach dem Extrem-Bergsteiger Reinhold Messner, haben Kreuze auf Bergen nichts zu suchen. Das will der Eichstätter Bischof und Hobby-Kletterer Hanke im Interview mit katholisch.de nicht auf sich sitzen lassen. (Interview von September 2016)

Mit Blick auf die Situation der Kirche in Deutschland beobachte Hanke ebenfalls drastische Veränderungen. Die Zeit der Volkskirchen laufe aus. "Wir haben einen unwahrscheinlichen Schub an Säkularisierungstendenzen. Wir erleben so etwas wie eine Gotteskrise", sagte er. "Der Mensch macht die Erfahrung, dass er Gott eigentlich nicht mehr braucht."

Hanke: Die Christen werden eine Minderheit

Auf die Frage, ob er Sorge habe, dass die Kirche ausstirbt, sagte der Bischof: "Nein. Ich glaube, wir werden eine Minderheit werden, aber das Christentum war immer stark in der Minderheitensituation." Existenzbedrohend sei in der Vergangenheit eine strukturelle Verbindung mit dem Staat gewesen, die Verbindung von Thron und Altar.

Hanke würdigte Papst Franziskus. Er "rüttelt enorm wach, er schafft einen Perspektivwechsel". Der Papst aus Lateinamerika habe einen ganz anderen Erfahrungshintergrund und breche "den in Europa und Nordamerika oft feststellbaren Kreis des Zirkulierens um sich selbst auf". Franziskus fordere eine dienende Kirche. Der Bischof räumte ein, dass dieser Perspektivwechsel in Deutschland "mit vielfältigen Schwierigkeiten verbunden" sei, weil es viele verfestigte Strukturen gebe. "Und die Strukturen durchbrechen Sie nicht binnen weniger Monate. Aber es hat sich schon viel in den Köpfen gewandelt. Da wird sich mentalitätsmäßig garantiert etwas ändern." (kim/KNA)