Mund-Nase-Bedeckung auch auf dem Camino verpflichtend

Pilgern mit Maske: Unterwegs auf dem Jakobsweg in Corona-Zeiten

Veröffentlicht am 01.08.2020 um 11:30 Uhr – Lesedauer: 

Santiago de Compostela  ‐ Wer derzeit auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela pilgert, muss unerschrockener sein als sonst: Während der Corona-Pandemie gehört in Spanien nun eine Maske vor Mund und Nase – theoretisch überall.

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"Eine Maske ist jetzt überall obligatorisch", bekräftigt die Dame beim Anruf im Pilgerbüro von Santiago de Compostela in harschem Ton. "Wer sie nicht anlegt, kann bestraft werden." Jakobspilger sind in Spanien bei der unlängst von fast allen Regionen eingeführten Maskenpflicht im Freien nicht ausgeklammert. Wäre Pilgern als Sport anerkannt, so wie Joggen und Radfahren, entfiele die Mund-Nase-Bedeckung. Cesar Garralda, der in der Altstadt von Pamplona die private Herberge Casa Ibarrola führt, hat dafür kein Verständnis. "Pilgern ist kein Spaziergang", sagt er, "sondern eher Wandern, Trekking. Der Jakobsweg ist natürlich spirituell und kulturell geprägt - aber es ist eben auch Sport."

Nach Spaniens zehrendem Lockdown und einem Mehrstufenplan der Lockerungen ist durch punktuelle Neuausbrüche des Virus eine Verschärfung der Maskenpflicht in Kraft getreten. Sie gilt seit Ende der zweiten Juliwoche und betrifft nunmehr - bis auf die genannten Ausnahmen - auch alle Bewegungen an der frischen Luft. Doch wie gehen Pilger damit um? In den vergangenen Tagen haben Ankömmlinge bei Garralda ihr Herz ausgeschüttet. Dabei hat der 50-Jährige eine klare Tendenz ausgemacht: "Ziehen sie durch Dörfer und Städte, setzen sie die Maske auf. Sonst auf einsameren Strecken nicht." Berichtet haben ihm Pilger davon, von Einheimischen massiv beschimpft worden zu sein, als sie die Masken gerade einmal nicht aufgesetzt hatten. "Da verwandeln sich Leute in Polizisten", umreißt Garralda Spaniens neues Lebensgefühl aus Angst, Verunsicherung, Hysterie und der Verärgerung über aufoktroyierte Maßnahmen von Politik und Behörden.

Maske stört beim Pilgern

Pilgern mit Maske ist ein skurriles, gewöhnungsbedürftiges, nahezu unmögliches Unterfangen. Das haben die Französinnen Jeromine Fontaine (26) und Chloe Capdevielle (25) am eigenen Leib erfahren. Gestartet sind sie jenseits der Pyrenäen in Saint-Jean-Pied-de-Port. Ihr angepeiltes Ziel nach einer Woche ist Logrono, die Hauptstadt der Region La Rioja. Bei ihrer Pilgerpremiere auf dem Jakobsweg haben die angehenden Grundschullehrerinnen unterwegs ihre eigene Maskenstrategie entwickelt. "Durch die Maske kann man gar nicht richtig atmen", sagt Chloe, "wenn man so lange wandert, stört sie einfach." Und man trage einen Rucksack, gibt sie zu bedenken, schnappe bei Anstiegen nach Luft. Freundin Jeromine pflichtet ihr bei.

Zwei Pilgerinnen mit Mundschutz
Bild: ©Andreas Drouve/KNA

Zwei Pilgerinnen mit Mundschutz vor einer Herberge in Pamplona.

Der Restart auf dem Jakobsweg ist seit Ende Juni zäh angelaufen. Gegenwärtig treffen laut Angaben des Pilgerbüros täglich etwa 250 bis 300 Pilger in Santiago de Compostela ein. Das ist angesichts der Umstände nicht schlecht, im Vergleich zu vorherigen Jahren aber ein dramatischer Einbruch. Der Maskenzwang im Freien dürfte viele vorläufig von einer Pilgerschaft abhalten. Selbst Tiefgläubige dürften das nicht klaglos als gottgewollte Zusatzbürde hinnehmen.

Potenzielle Pilger von Maskenpflicht abgeschreckt

Die Pflicht einer Mund-Nase-Bedeckung gilt auch im Inneren von Herbergen wie der Casa Ibarrola, wo Wirt Garralda Trennscheiben aus Plexiglas im Aufenthaltsbereich und Desinfektionsmittelspender hat aufstellen müssen. Offiziell dürfen die Masken nur im Bett, unter der Dusche und bei der Nahrungszufuhr fallen. Suchen Pilger und andere Hungrige ein Restaurant oder eine Kneipe auf, verkomplizieren sich die Dinge. Zwar braucht man keine Kontaktdaten zu hinterlassen, doch die Maske darf man erst ablegen, wenn die Bestellung am Tisch eintrifft - nicht vorher. Wie die Zeitung "La Voz de Galicia" aus Santiago de Compostela berichtet, sind bereits erste Bußgelder verhängt worden.

Bis wann die erweiterte Maskenpflicht in Spanien gilt und wie es an der berühmtesten Pilgerstrecke der Welt weitergeht, ist ungewiss. Herbergsbetreiber Garralda bekommt öfter Mails potenzieller Kunden, die anfragen, wie er sein Hygienekonzept umsetzt und ob Spanien aufs Neue eine Schließung der Grenzen droht. Nach dem monatelangen Stillstand auf dem Jakobsweg hofft Garralda, dass ihm und seinen Kollegen weitere Rückschläge erspart bleiben. Derzeit empfängt er in seiner 20-Betten-Herberge im Tagesschnitt ohnehin nur sechs Gäste.

Von Andreas Drouve (KNA)