Vor 30 Jahren starb der Gründer der Piusbruderschaft

Marcel Lefebvre: Rebell gegen die Moderne

Veröffentlicht am 25.03.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Für die einen ist er ein Heiliger und Held; für die anderen ein tragisch gescheiterter Rebell, der eher mit Rom brach, als die neue Rolle der Kirche in der Moderne anzuerkennen. Erzbischof Marcel Lefebvre starb vor 30 Jahren.

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Marcel Lefebvre wurde 1905 im nordfranzösischen Tourcoing geboren. Es war das Jahr, in dem in Frankreich gegen den erbitterten Widerstand der katholischen Kirche das Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat in Kraft trat. Es wurde vom Papst verdammt und führte zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der Französischen Republik und dem Heiligen Stuhl. Die katholische Kirche, in der Lefebvre aufwuchs, war eine mit der Moderne und der Demokratie unversöhnte Institution. 

Während seines Theologiestudiums in Rom am Französischen Seminar inhalierte der junge Lefebvre die antimodernistische und antiliberale Theologie und Gesellschaftslehre des Rektors Henri Le Floch, der eine ganze Generation von künftigen Priestern und Bischöfen in diesem militanten Geist erzog. Le Floch sympathisierte mit der rechtsextremen, monarchistischen "Action francaise" und wurde 1927 von Papst Pius XI., der den Ausgleich mit der Französischen Republik suchte, aus dem Amt gejagt. In Le Flochs Familie waren in der Generation seines Großvaters noch vier Priester während der Französischen Revolution deportiert und einer exekutiert worden. Das ideologische Erbe der Verachtung für die Herrschaft des Volkes trug Lefebvre am Ende weiter.

Missionar in Afrika

So wie vier seiner sieben Geschwister trat Marcel in einen katholischen Orden ein. Als Spiritaner-Pater missionierte er in mehreren afrikanischen Ländern, stieg rasch in der kirchlichen Hierarchie auf und wurde schließlich 1955 Erzbischof von Dakar im heutigen Senegal. Er machte keinen Hehl aus seiner Ablehnung der Dekolonialisierung, des Kommunismus und der Aufklärung.

Der weniger traditionell denkende Papst Johannes XXIII. degradierte ihn und machte ihn zum Bischof von Tulle in Frankreich. Doch kurz vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, im Juli 1962, wählte ihn der damals noch konservative und mächtige Spiritaner-Orden zum Generaloberen. Als solcher nahm er in herausgehobener Stellung an dem Konzil teil, das der Papst einberufen hatte, um die Kirche mit der Moderne auszusöhnen.

Es war keine Überraschung, dass Lefebvre beim Konzil zum Wortführer der radikal-konservativen Minderheit wurde. Es gelang ihm aber nicht, genügend Verbündete für diese Position zu organisieren. Und so wurden alle Modernisierungsbeschlüsse des Konzils mit einer Mehrheit von mehr als 90 Prozent gefasst – selbst der am meisten umstrittene mit dem Titel "Dignitatis humanae", der erstmals das Recht auf freie Gewissensentscheidung des Einzelnen zur Kirchenlehre erhob.

Marcel Lefebvre hält eine Rede.
Bild: ©KNA

Ende der 1960er Jahre gründete Marcel Lefebvre die Piusbruderschaft.

Beim Kirchenvolk und beim Klerus galt indes die vom Konzil empfohlene Reform der Gottesdienstfeiern als folgenreichster Beschluss. Als sie Ende der 1960er Jahre mit einer weitreichenden Veränderung der katholischen Liturgie umgesetzt wurde, gründete Lefebvre im schweizerischen Econe ein Priesterseminar und eine Priesterbruderschaft, die sich diesen Neuerungen konsequent widersetzten. Gegen römische Verbote weihte er dort Priester nach dem alten Ritus – verbotenerweise, aber gültig.

"Kirche in der Kirche"

Papst Paul VI. suspendierte Lefebvre 1976 vom Bischofsamt. Er hatte erkannt, dass in Econe eine Keimzelle Spaltung heranwuchs: Die dort ausgebildeten Priester – zunächst war es nur eine Handvoll, doch es wurden rasch mehr – nahmen die Beschlüsse des Konzils nicht an. Es entstand eine "Kirche in der Kirche".

Johannes Paul II. versuchte, Anfang der 80er Jahre den Traditionalisten entgegenzukommen und gestattete die Feier der Alten Messe für bestimmte Orte und Gelegenheiten. Und er beauftragte den deutschen Kurienkardinal Joseph Ratzinger, Gespräche mit den Traditionalisten zu führen, um dogmatische Streitpunkte aus dem Weg zu räumen. Doch ein ausgehandelter Kompromiss wurde von Lefebvre in letzter Minute verworfen.

Bild: ©KNA (Symbolbild)

Die traditionalistische Piusbruderschaft zelebriert die Messe nach dem alten Ritus.

Nun ging der 83-Jährige auf volle Konfrontation. Den nahenden Tod vor Augen wollte er den Fortbestand seines Werks sichern und nutzte dafür eine Besonderheit des Kirchenrechts, wonach jeder gültig geweihte Bischof seinerseits gültig Bischöfe weihen kann – und zwar auch dann, wenn ihm dies der Papst verbietet. Am 30. Juni 1988 weihte er vier Männer zu Bischöfen – gegen ein Veto des Papstes.

Verbotene Weihen – aber gültig

Zwar zog er damit die Tatstrafe der Exkommunikation auf sich und die vier neuen Bischöfe. Die "Lefebvrianer" wurden nun weithin als Schismatiker angesehen, also als eine Gruppierung, die mit der katholischen Kirche gebrochen hat. Doch die Piusbruderschaft selbst betrachtete die Exkommunikation als unwirksam und sich selbst weiterhin als Teil der katholischen Kirche, die sie durch Kritik vom rechten Rand wieder auf den Weg der Tradition zurückbringen will.

Kirchenrechtlich ist der Status der auf Lefebvres Weihen zurückgehenden Bischöfe und Priester bis heute unklar. Das gilt auch für die Gläubigen, die von ihnen die Sakramente empfangen. Die Bischofsweihen, die Lefebvre spendete, waren verboten, aber gültig. Das gilt auch für die Priesterweihen durch die Bischöfe, die er geweiht hatte. Und so sind auch die von diesen Priestern gespendeten Sakramente gültig.

Am 25. März 1991 starb Lefebvre mit 85 Jahren in einem Krankenhaus in Martigny. Auf seinem Marmorgrab in der Krypta der Seminarkirche von Econe steht ein Satz aus dem Ersten Korintherbrief des Apostels Paulus in lateinischer Sprache: "Tradidi quod et accepi" (Ich habe weitergegeben, was ich empfangen habe).

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)