Offizielle Entschuldigung für Kindesmisshandlung steht weiter aus

Nach Protesten: Papst will indigene Vertreter aus Kanada treffen

Veröffentlicht am 30.06.2021 um 13:50 Uhr – Lesedauer: 

Ottawa ‐ Es waren entsetzliche Funde: mehrere Hundert Kinderleichen nahe kanadischer Kircheninternate. Eine Entschuldigung des Papstes steht bislang aus. Nun lädt Franziskus in den Vatikan ein, um mit indigenen Vertretern über das erfahrene Leid zu sprechen.

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Vertreter der indigenen Bevölkerung Kanadas werden zusammen mit mehreren kanadischen Bischöfen Papst Franziskus im Vatikan treffen. Der Besuch werde im Dezember dieses Jahres stattfinden, teilte die Kanadische Konferenz der katholischen Bischöfe (CCCB) am Dienstag mit. Papst Franziskus wolle sich bei dem Treffen aus erster Hand über "die Auswirkungen der Kolonialisierung und die Rolle der Kirche im Internatsschulsystem" informieren und hoffe, "auf das Leiden der indigenen Völker und die anhaltenden Auswirkungen des generationsübergreifenden Traumas" antworten zu können, heißt es in der Erklärung der kanadischen Bischöfe.

Die Einladung des Papstes steht im Zusammenhang mit den Leichenfunden im Umfeld von sogenannten "residential schools": In den vergangenen Wochen wurden in Kanada in der Nähe ehemaliger katholischer Internatsschulen die unmarkierten Gräber von mehreren Hundert indigenen Heimkindern entdeckt. Seitdem wurde von verschiedenen Seiten eine Entschuldigung der Kirche für das begangene Unrecht gefordert. Papst Franziskus drückte seine Bestürzung über die Leichenfunde und das erfahrene Leid aus, eine offizielle Entschuldigung äußerte er bisher aber nicht. In Kanada kam es deshalb zuletzt zu Protestaktionen gegen die katholische Kirche; auf Gebieten der Indigenen sind mehrere Kirchen abgebrannt.

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Die kanadischen Bischöfe seien "zutiefst dankbar für die Offenheit des Heiligen Vaters, großzügig eine Einladung zu persönlichen Gesprächen mit jeder der drei verschiedenen Delegiertengruppen – First Nations, Metis und Inuit – auszusprechen", hieß es nun. Die Delegation solle aus Ältesten indigener Gemeinden, Internatsüberlebenden und Jugendlichen aus dem ganzen Land bestehen. Man trage die "aufrichtige Hoffnung, dass diese bevorstehenden Begegnungen zu einer gemeinsamen Zukunft des Friedens und der Harmonie zwischen den indigenen Völkern und der katholischen Kirche in Kanada führen werden", so die Bischofskonferenz weiter. Ein kanadischer Delegationsbesuch bei Papst Franziskus sei bereits seit zwei Jahren in Planung und wurde nun vom Vatikan bestätigt.

Der kanadische Sender CBC zitierte am Dienstag den Vizepräsident des nationalen Rates der Metis, David Chartrand, wonach die indigenen Vertreter den Papst zu einer Entschuldigung auf indigenem Boden in Kanada bewegen wollten. "Ich hoffe, dass ich vom Papst hören kann, dass er den Schmerz versteht. Wir wollen, dass er in unser Land kommt. Es würde uns so viel bedeuten, dass er hierherkommt und seine Erklärung abgibt", sagte Chartrand. Das System der "residential schools" wurde von der kanadischen Regierung etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts eingerichtet. In den kirchlich geführten Heimen sollten Kinder der indigenen Bevölkerung gewaltsam "zivilisiert" werden und erlitten schlimmste Misshandlungen. Die Umerziehungseinrichtungen wurden unter staatlicher Beteiligung zum Teil noch bis in die 1990er-Jahre betrieben.

Am Mittwoch berichtete CBC, dass erneut unmarkierte Gräber nahe einer früheren Heimschule gefunden wurden. Mittels Bodenradar hätten im Umfeld der St. Eugene's Mission School bei Cranbrook in British Columbia 182 Grabstätten lokalisiert werden können. Bisher sei aber noch unklar, ob es sich um die Gräber von Kindern handle. In der darauffolgenden Nacht brannte laut CBC-Informationen auch eine weitere katholische Kirche, die rund 65 Kilometer von Halifax entfernte St. Kateri Tekakwitha Church. Der Schaden sei jedoch überschaubar geblieben. (mfi)

1.7., 11 Uhr: Ergänzt um weiteren Gräberfund und weitere brennende Kirche.