An diesem Donnerstag wird die Untersuchung veröffentlicht

Was? Wann? Wer? Die Hintergründe zum Münchner Missbrauchsgutachten

Veröffentlicht am 20.01.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Worum geht es im Münchner Missbrauchsgutachten, das heute vorgestellt wird? Wer sind die wichtigsten Protagonisten? Und warum hat der Fall des Priesters H. so eine große Bedeutung? Vor der Veröffentlichung des mit Spannung erwarteten Gutachtens beantwortet katholisch.de die wichtigsten Fragen.

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An diesem Donnerstag will die Münchner Anwaltskanzlei Westphal Spilker Wastl (WSW) ein lange und mit Spannung erwartetes Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising veröffentlichen. Die Untersuchung dürfte auf internationales Interesse stoßen, weil sie das Verhalten einiger prominenter Kirchenmänner – allen voran der emeritierte Papst Benedikt XVI. – unter die Lupe nimmt. Katholisch.de beantwortet vor der Veröffentlichung des Gutachtens die wichtigsten Fragen.

Bild: ©picture alliance/dpa/dpa-Pool/Sven Hoppe (Archivbild)

Als ehemaliger Erzbischof von München und Freising steht auch die Rolle von Benedikt XVI./Joseph Ratzinger im Fokus des Gutachtens.

Um wen geht es im Münchner Missbrauchsgutachten?

Papst Benedikt XVI./Joseph Ratzinger

Das 2013 zurückgetretene Kirchenoberhaupt (94) war von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising. Als Papst (2005-2013) geriet er 2010 wegen des Falls H. in die Schlagzeilen. Das Bistum Essen hatte 1980 gebeten, den übergriffig gewordenen Priester in München aufzunehmen, wo er eine Therapie machen sollte. Bald war er auch wieder seelsorglich tätig, ab 1982 als Kaplan in Grafing, wo er sich erneut an Kindern verging.

Benedikt XVI. ließ noch vergangene Woche ausrichten, er habe anders als von vielen Medien dargestellt zum Zeitpunkt der Aufnahme H.s in München von dessen Vorgeschichte nichts gewusst. Laut "Bild"-Zeitung hat er auf die Fragen der Anwälte eine 82 Seiten starke Stellungnahme abgegeben. "Er begrüßt die Aufarbeitung in München sowie die Veröffentlichung des Gutachtens", die Schicksale der Missbrauchsopfer gingen ihm "sehr zu Herzen", zitierte das Blatt Benedikts Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein.

Als Präfekt der Römischen Glaubenskongregation (1982-2005) verschärfte Ratzinger die kircheninterne Verfolgung von Priestern, die Missbrauch begingen. 2001 wurde auf seine Initiative hin die Glaubenskongregation zuständig dafür. 2019 wurde ein längerer Aufsatz aus seiner Feder mit persönlichen Reflexionen zum Missbrauchsskandal veröffentlicht. Darin geißelte er die aus seiner Sicht verheerenden Folgen der "sexuellen Revolution" von 1968 und einen damit einhergehenden Verfall der katholischen Moraltheologie. Kurz erwähnte er auch, dass er als Glaubenspräfekt die Kirchenleitung nur gegen Widerstände zu mehr Einsatz gegen Missbrauch habe bewegen können und dass diese Bemühungen nicht ausgereicht hätten.

Kardinal Reinhard Marx

Seit 2008 leitet der Westfale (68) das Erzbistum München und Freising. Als im Februar 2010 nach den Vorfällen am Canisius-Kolleg in Berlin auch im oberbayerischen Kloster Ettal Missbrauchsfälle bekannt wurden, griff Marx mit seinem Generalvikar Peter Beer ein und entsandte einen Sonderermittler. Im März kündigte er an, in Sachen Missbrauch nichts verschweigen und vertuschen zu wollen.

Im selben Monat machte der alte Fall des Priesters H. international Schlagzeilen. Es ging um die Frage, was Papst Benedikt XVI. 1980 davon gewusst habe. Das Erzbistum beauftragte die Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) mit einem Gutachten über Missbrauchsfälle von 1945 bis 2009, dieselbe wie jetzt wieder. Marx kommentierte das im Dezember 2010 mit den Worten: "Was wir tun, sind wir den Menschen schuldig, die zu Opfern wurden. Wir wollen aus den schlimmen Fehlern lernen." Zuvor war Marx am 20. November 2010 in Rom von Benedikt XVI. in den Kardinalsrang erhoben worden.

Der Erzbischof legte in München den Grundstein für das 2015 nach Rom verlegte internationale päpstliche Kinderschutzzentrum. Einen Großteil seines Privatvermögens brachte Marx im Dezember 2020 in eine Stiftung für Betroffene sexuellen Missbrauchs in der Kirche ein.

Im Frühjahr 2021 verzichtete Marx auf das Bundesverdienstkreuz, nachdem ihm Betroffene schwere Versäumnisse im Umgang mit Missbrauchsfällen in seiner Amtszeit als Bischof von Trier (2002 bis 2008) vorhielten. Kurz darauf bot er Papst Franziskus seinen Rücktritt als Erzbischof an, den dieser aber nicht annahm. Im Juli traf sich der Kardinal mit Vertretern der Pfarrgemeinde in Garching an der Alz und entschuldigte sich für den Umgang der Kirche mit dem Missbrauchstäter H.. In einem Brief an die Gläubigen seines Erzbistums vor der Sommerpause schloss er ein erneutes Rücktrittsgesuch nicht aus.

Kardinal Friedrich Wetter

Der 93-Jährige war als Nachfolger von Joseph Ratzinger von 1982 bis 2008 Erzbischof von München und Freising. 1985 wurde er zum Kardinal ernannt. Von seinem Vorgänger erbte er den Missbrauchsfall des Priesters Peter H. Dieser wurde im Juni 1986 vom Amtsgericht Ebersberg zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Noch in der Bewährungszeit ließ Wetter eine erneute seelsorgliche Tätigkeit H.s zu, erst in einem Altenheim, dann von 1987 bis 2008 in Garching an der Alz, wo der Geistliche abermals Kinder missbrauchte, was aber erst später herauskam. Im März 2010, als ein neuer Vorwurf gegen den vorbestraften Priester öffentlich wurde und erneut Staatsanwälte ermittelten, räumte Wetter ein, es sei ein Fehler gewesen, H. wieder in der Pfarrseelsorge einzusetzen. Seine Opfer und ihre Angehörigen bat der Kardinal um Entschuldigung. Von 1968 bis 1982 war der gebürtige Pfälzer bereits Bischof von Speyer gewesen.

Lorenz Wolf

Der Münchner Domdekan (66) zählt zu den einflussreichsten Kirchenmännern im Freistaat. Seit 2010 leitet der 1982 zum Priester geweihte Oberbayer das Katholische Büro in Bayern. Außerdem ist er seit 2014 Vorsitzender des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks. Als Offizial ist der promovierte Kirchenrechtler seit 1997 für die kirchliche Gerichtsbarkeit im Erzbistum verantwortlich. Regelmäßig ist Wolf auch als zweite Instanz im Auftrag der römischen Kurie mit Missbrauchsfällen befasst.

Aus seiner Feder stammt ein im Mai 2016 unterzeichnetes Strafdekret gegen den Wiederholungstäter Peter H. Der Seelsorger hat im Bistum Essen sowie im Erzbistum München und Freising an mehreren Orten Kinder missbraucht und wurde kirchenrechtlich dafür erst sehr spät sanktioniert.

An dem bisher unveröffentlichten Dekret, über das Medien erstmals 2018 berichteten, entzündete sich Kritik, weil die Strafe angeblich zu milde ausgefallen war und H. nicht aus dem Klerikerstand entfernt wurde. Wolf rechtfertigte sich mit dem Hinweis, er habe wegen der Vorgaben aus Rom nicht selbst ermitteln dürfen. Deshalb und auch wegen des schlechten Zustands der Akten zum Fall sei nicht mehr drin gewesen.

Peter Beer

Der in Theologie und Pädagogik promovierte Niederbayer (55) war von 2010 bis 2020 Generalvikar. In seiner Amtszeit wurden 2010 erstmals von einem deutschen Bistum externe Rechtsanwälte von WSW mit der Auswertung von Personalakten kirchlicher Mitarbeiter zu Missbrauchsfällen beauftragt. Das Ergebnis wurde summarisch im Dezember 2010 veröffentlicht. Der komplette Bericht blieb aber im Tresor - aus Datenschutzgründen, wie es hieß.

Der gebürtige Kelheimer wurde 2002 in Freising zum Priester geweiht. Er war Honorarprofessor für Religionspädagogik in Benediktbeuern. Von 2006 bis 2009 leitete Beer das Katholische Büro Bayern. Seit April 2020 ist er Professor an der Universität Gregoriana in Rom und ein enger Mitarbeiter des Kinderschutzexperten Hans Zollner, mit dem er zur Schule ging. Außerdem ist Beer Vorsitzender des Stiftungsrats der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU).

Gerhard Gruber

Der 93-Jährige war fast 22 Jahre Generalvikar. Als rechte Hand diente der promovierte und 1953 in Rom zum Priester geweihte Theologe ab 1968 bis zu seiner Entpflichtung 1990 den drei Erzbischöfen Julius Döpfner, Joseph Ratzinger und Friedrich Wetter.

In die Schlagzeilen geriet Gruber 2010 nach Medienberichten über den Fall Peter H., die das Pontifikat von Papst Benedikt XVI. zu belasten drohten. H. war nach Übergriffen auf Kinder in seinem Heimatbistum Essen Anfang 1980 in Ratzingers Amtszeit als Erzbischof (1977-1982) nach München überstellt worden. Er sollte sich einer Therapie unterziehen, wurde bald wieder als Seelsorger tätig und missbrauchte wieder Kinder. Daran änderte auch eine gegen ihn vom Amtsgericht Ebersberg 1986 verhängte Bewährungsstrafe nichts.

Gruber übernahm öffentlich die Verantwortung für H.s erneuten Einsatz in der Seelsorge. Er habe die Entscheidung mit dem seinerzeitigen Personalreferenten Friedrich Fahr getroffen, ohne mit Ratzinger zu sprechen. Behauptungen, dass Gruber zu dieser Stellungnahme gedrängt worden sei, wurden vom Erzbistum immer wieder dementiert.

Heinrich Graf von Soden-Fraunhofen (1920-2000)

Der im Jahr 2000 verstorbene Geistliche war von 1972 bis 1994 Weihbischof und für die Seelsorgsregion Nord zuständig. Der Sohn einer alten bayerischen Adelsfamilie wurde 1951 mit Joseph Ratzinger in Freising zum Priester geweiht und zählte zu dessen Freunden.

Überregional bekannt wurde Soden-Fraunhofen seit den späten 1980er Jahren durch seinen Einsatz gegen Lehre und Praxis des umstrittenen "Engelwerks". Die obskure Vereinigung ging auf Privatoffenbarungen einer Tirolerin zurück und sorgte damals für Unruhe in katholischen Kreisen.

1993 zog sich Soden-Fraunhofen aus gesundheitlichen Gründen zurück und war danach Landpfarrer im Pfarrverband Garching an der Alz. Dort lebte er in Engelsberg, wo der wegen Missbrauchs vorbestrafte Peter H. von 1987 bis 2008 als Seelsorger tätig war. Der Weihbischof sollte H. beaufsichtigen. Nach Angaben des Erzbistums fielen seine regelmäßigen Berichte nur positiv aus.

Journalisten von Correctiv und Bayerischem Rundfunk haben in den vergangenen Jahren recherchiert und kamen dabei zum Ergebnis, dass Soden-Fraunhofen in Garching aufkommende Gerüchte über H. vor Ort im Keim erstickt habe.

Kardinal Julius Döpfner (1913-1976)

Der Unterfranke zählt zu den prägendsten katholischen Gestalten der Nachkriegszeit. Mit nur 34 Jahren wurde der promovierte Theologe aus der Rhön 1948 in Würzburg zum jüngsten Bischof der Weltkirche. 1957 wechselte er nach Berlin, ab 1961 war er Erzbischof in München und Freising. Seit 1965 leitete er die Deutsche Bischofskonferenz. Als einer von vier Moderatoren nahm er maßgeblichen Einfluss auf das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965). Zur Umsetzung der dort beschlossenen Reformen in West-Deutschland initiierte und leitete er die Würzburger Synode (1971-1975). 1976 starb er überraschend im Alter von nur 62 Jahren. (KNA)

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Kölner Missbrauchsgutachten
Bild: ©KNA/AFP Pool/Ina Fassbender (Archivbild)

Das Münchner Missbrauchsgutachten (im Bild: das im März 2021 vorgestellte Kölner Gutachten) soll laut ersten Berichten mehr als 1.000 Seiten umfassen.

Darum geht es im zweiten Münchner Missbrauchsgutachten

Warum wurde diese zweite Untersuchung in Auftrag gegeben?

Als Hauptzweck wurde bei der Beauftragung Ende Februar 2020 die vollständige Veröffentlichung genannt. Der Bericht soll Versäumnisse einzelner Verantwortlicher benennen und klären, wie es dazu kommen konnte, dass Missbrauchsfälle vertuscht wurden. Es geht auch um die Jahre von 2010 bis 2019. Das ist im Wesentlichen die Amtszeit von Kardinal Reinhard Marx. Eine erste Untersuchung, die im Dezember 2010 abgeschlossen wurde, deckte den Zeitraum von 1945 bis 2009 ab.

Wieso wurde der erste Bericht nicht veröffentlicht?

Nach Auskunft der Erzdiözese München und Freising sprachen damals Datenschutzgründe dagegen. Der 250 Seiten umfassende Text liegt bis heute in einem Tresor im Münchner Ordinariat. Den Inhalt kennen nur Marx, sein langjähriger Generalvikar Peter Beer, und wenige andere. Einige Ergebnisse wurden publiziert und auf der Internetseite des Erzbistums eingestellt. Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke fordert, auch diese Untersuchung jetzt zu veröffentlichen, notfalls geschwärzt. Nur so werde transparent, was an den nun präsentierten Erkenntnissen wirklich neu sei.

Was ist bekannt?

2010 kamen die Anwälte nach ihrem Aktenstudium zum Ergebnis, dass von 1945 bis 2009 in der Erzdiözese 159 Priester wegen sexueller Übergriffe an Minderjährigen "auffällig geworden" sind. Zugleich hieß es, die Dunkelziffer sei erheblich. Verurteilt worden seien 26 Geistliche, 17 weiteren ließen sich Sexualdelikte nachweisen. Alle diese Priester seien inzwischen tot. Die Personalakten wiesen zum Teil erhebliche Lücken auf, in großem Umfang seien Dokumente vernichtet worden. Vor allem Kleriker hätten einen "rücksichtslosen Schutz des eigenen Standes" betrieben, um die Opfer habe sich die Kirche nicht ausreichend gekümmert.

Wer sind die Anwälte?

Die Kanzlei WSW ist schon für mehrere Diözesen tätig geworden. Im Auftrag des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke untersuchte sie riskante Anlagegeschäfte mit Bistumsvermögen auf dem US-Immobilienmarkt. Für das Bistum Aachen legten die Münchner Anwälte im November 2020 eine Missbrauchsstudie vor. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki beauftragte sie ebenfalls mit einem solchen Gutachten. Kurzfristig zog er aber seine Zustimmung zur Veröffentlichung 2020 zurück, weil er es für mangelhaft und nicht rechtssicher befand, und gab einen weiteren Auftrag an andere externe Juristen.

Wie unabhängig ist die neue Studie?

So unabhängig, wie es eine Auftragsarbeit sein kann. Die Kanzlei hat schon einige Mandate von der Münchner Bistumsleitung erhalten, was intern und extern Kritik hervorgerufen hat. Spekuliert wird in diesem Zusammenhang über eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit. Der frühere Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, kritisierte in einem Gastbeitrag am 24. Dezember 2021 auf "Spiegel-online" das Verfahren generell als rechtswidrig. Schuld und Verantwortung kirchlicher Amtsträger müssten in einem kirchlichen Disziplinarverfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen festgestellt werden. Es gehe nicht an, über private Verträge privaten Anwaltskanzleien das Recht einzuräumen, "Urteile ohne Richter" zu fällen und diese zu publizieren.

Was ist von der neuen Untersuchung zu erwarten?

Zunächst einmal fällt der Bericht sehr umfangreich aus, nach Auskunft der Anwälte sind es weit über 1.000 Seiten. Zum Wiederholungstäter Peter H. gibt es einen Sonderband, der laut "Bild"-Zeitung allein 350 Seiten umfasst. Papst Benedikt XVI. hat sich dem Blatt zufolge auf 82 Seiten zu den Fragen der Anwälte eingelassen. So ausführlich hat er sich noch nie zuvor zum Thema Missbrauch geäußert.

Was kostet das Gutachten?

Für München liegt dem Vernehmen nach noch keine Rechnung vor. In Köln betrug ihr Honorar laut einer Aufstellung des dortigen Erzbistums 757.000 Euro.

Wer sind die wichtigsten lebenden Verantwortungsträger, um die es in München geht?

Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. (2005-2013), war von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising. Nach ihm kam für 25 Jahre Kardinal Friedrich Wetter, bis 2008 Reinhard Marx übernahm. Aus Ratzingers Münchner Amtszeit lebt noch der damalige Generalvikar Gerhard Gruber. Ratzinger, Wetter und Gruber sind schon über 90 Jahre alt.

Wer steht noch im Fokus?

Peter Beer, von 2010 bis 2020 Generalvikar, heute Professor an der Universität Gregoriana in Rom und Mitarbeiter des päpstlichen Kinderschutzexperten Hans Zollner; und der langjährige Münchner Kirchenrichter Lorenz Wolf, der etliche Urteile in kirchlichen Missbrauchsprozessen zu verantworten hat. Mehrere Verfahren führte er im Auftrag der Kirchenleitung in Rom, unter anderem zum Fall H., zu dem er laut Medienberichten im Mai 2016 ein Strafdekret unterschrieb. Dieses Dokument und Wolfs Rolle werden in den bisherigen Veröffentlichungen kontrovers beurteilt.

Wie wird Marx reagieren?

Der Münchner Kardinal erhält nach Auskunft der Kanzlei keinen Informationsvorsprung. Er wird demnach auch erst am 20. Januar erfahren, was in dem Gutachten steht. Das Erzbistum will sich mit der Reaktion Zeit lassen und hat sieben Tage später zu einer eigenen Pressekonferenz eingeladen. (KNA)

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Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Archivbild)

Stehen wegen ihrer Rolle im Fall H. ebenfalls im Fokus: Kardinal Reinhard Marx und Bischof Franz-Josef Overbeck (v. l.).

Der Fall Peter H. – ein Priester als mehrfacher Missbrauchstäter

Mit dem Essener Diözesanpriester Peter H. verbindet sich einer der brisantesten Missbrauchsfälle der katholischen Kirche in Deutschland. Seit 2010 macht er immer wieder weltweit Schlagzeilen. Der Geistliche verging sich an Minderjährigen an mindestens vier Orten in Nordrhein-Westfalen und Oberbayern. Bisher haben sich rund 30 Betroffene gemeldet.

Als Verantwortungsträger verwickelt sind der emeritierte Papst Benedikt XVI., die Münchner Kardinäle Friedrich Wetter und Reinhard Marx sowie der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck und einer seiner Vorgänger, Kardinal Franz Hengsbach. Das für den 20. Januar angekündigte neue Missbrauchsgutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) für das Erzbistum München und Freising widmet allein Peter H. rund 350 Seiten.

Der Mann kam, bereits durch Übergriffe auffällig geworden, Anfang 1980 nach München und sollte sich dort einer Therapie unterziehen. Auf eine Anzeige und oder ein eigenes Strafverfahren verzichtete die Kirche. Benedikt XVI., als Joseph Ratzinger damals Erzbischof in München, bestreitet bis heute, damals von H.s Vorgeschichte gewusst zu haben. Kurz nach seiner Übersiedlung arbeitete H. wieder als Seelsorger, zunächst in München, von 1982 bis 1985 in Grafing, 1987 bis 2008 in Garching an der Alz, danach bis 2010 als Kurseelsorger in Bad Tölz.

1986 verurteilte ihn das Amtsgericht Ebersberg nach einem Geständnis zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe von 4.000 D-Mark. Der Gerichtsgutachter und H.s Therapeut waren sich einig, dass der Priester nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfe. Dennoch wurde er abermals mit Gemeindeseelsorge beauftragt. Erst nach neuerlichen Vorwürfen zog ihn Bischof Overbeck am 11. März 2010 aus dem Verkehr. 2020 kehrte H. ins Bistum Essen zurück, wo er heute zurückgezogen und unter Aufsicht lebt.

Ein kirchenrechtliches Strafverfahren in München endete im Mai 2016. Sein Berufsverbot wurde bestätigt, der Titel Pfarrer entzogen. Außerdem musste H. drei Monatsgehälter an eine Stiftung zahlen. Aus dem Klerikerstand wurde er nicht entlassen. Das Dekret stieß auch kirchenintern auf Kritik. (KNA)

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