Moskauer Kirchenoberhaupt begehe "ein geistliches Verbrechen"

Kiewer Metropolit ruft zum Protest gegen Patriarch Kyrill I. auf

Veröffentlicht am 15.03.2022 um 16:05 Uhr – Lesedauer: 

Kiew ‐ Die Übergabe einer Ikone an den Leiter der russischen Nationalgarde und die Segnung von Mördern seien "ein geistliches Verbrechen": Kiews Metropolit Epiphanius ruft alle Religionsführer der Welt auf, den Moskauer Patriarchen Kyrill I. zu verurteilen.

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Das Oberhaupt der eigenständigen orthodoxen Kirche der Ukraine, Metropolit Epiphanius, ruft alle Religionsführer der Welt auf, die Haltung des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. zum Krieg gegen die Ukraine zu verurteilen. "Die Übergabe einer Ikone durch das Oberhaupt des Moskauer Patriarchats Kyrill Gundjajew an den Leiter der russischen Nationalgarde und die 'Segnung' von Mördern und Halsabschneidern sonntags in der Liturgie ist ein geistliches Verbrechen", schrieb Epiphanius am Dienstag auf Twitter. Kyrill unterstütze den Angriff auf die Ukraine.

Der Moskauer Patriarch hatte am Sonntag in der Christ-Erlöser-Kathedrale dem Chef der in der Ukraine kämpfenden Nationalgarde, Wiktor Solotow, eine Ikone der Mutter Gottes mit den Worten überreicht: "Möge dieses Bild junge Soldaten inspirieren, die den Eid ablegen und den Weg der Verteidigung des Vaterlandes einschlagen." Sie ist für die Moskauer Kirche der Nationalgarde bestimmt. Solotow antwortete Kyrill, bei der Spezialoperation in der Ukraine gehe nicht "alles so schnell, wie wir es gerne hätten". Doch die Ikone werde die "russischen Streitkräfte schützen und unseren Sieg beschleunigen". Kyrill hatte den russischen Angriffskrieg mehrfach gerechtfertigt und die Schuld daran dem Westen gegeben.

"Sich zu verteidigen, den Feind umzubringen – das ist keine Sünde"

Epiphanius hatte jüngst die Tötung von russischen Angreifern gebilligt: "Sich zu verteidigen, den Feind umzubringen – das ist keine Sünde", sagte er laut der Internetzeitung "Ukrajinska Prawda" (Dienstag). Die Ukrainer trachteten nicht nach dem Tod ihrer russischen Nachbarn. Aber weil sie in die Ukraine gekommen seien, "schützen wir unsere Familie, unsere Heimat, unser Land", so der 43-Jährige. "Unsere Soldaten beschützen alle Ukrainer." Wörtlich fügte er hinzu: "Und wer mit dem Schwert zu uns gekommen ist, wird durch dieses Schwert ums Leben kommen."

Epiphanius sieht durch den Ukraine-Krieg auch sein Leben bedroht. Seit dem Beginn der russischen Invasion am 24. Februar habe es bereits mehrere Attentatsversuche auf ihn gegeben, sagte Epiphanius kürzlich. Demnach drangen bereits mehrmals russische Agenten in seinen Amtssitz, das Michaelskloster in Kiew, ein, um ihn "zu finden". Ausländische Geheimdienste hätten ihn darüber informiert, dass er "Ziel Nummer fünf auf einer Liste der Russen mit zu tötenden Personen" sei, so der Metropolit weiter.

Kyrill und Epiphanius verunglimpfen sich seit Jahren gegenseitig. Der Moskauer Patriarch bezeichnet den Kiewer Metropoliten und seine Anhänger als Schismatiker. Epiphanius leitet seit ihrer Gründung Ende 2018 die autokephale (eigenständige) "Orthodoxe Kirche der Ukraine". Sie entstand mit Hilfe des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. von Konstantinopel aus dem 1992 gegründeten Kiewer Patriarchat und der 1921 ins Leben gerufenen Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche. Die neue Kirche steht im Gegensatz zur ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, die Kyrill untersteht. (tmg/KNA)