Modell der "Symphonie von Staat und Kirche" werde an Ende kommen

Theologe: Ukraine-Krieg wird Orthodoxie verändern

Veröffentlicht am 17.03.2022 um 12:25 Uhr – Lesedauer: 

Paderborn ‐ Über die Rolle der Kirchen im Ukraine-Krieg wurde in den vergangenen Tagen viel diskutiert. Für den Theologen Johannes Oeldemann ist klar, dass die Haltung Patriarch Kyrills zum Krieg zu tiefgreifenden Veränderungen in der Orthodoxie führen wird.

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Der Paderborner Theologe Johannes Oeldemann sieht als Folge des Krieges in der Ukraine grundlegende Veränderungen auf die orthodoxen Kirchen zukommen. "Das byzantinische Modell der Symphonie von Staat und Kirche dürfte mit dem Krieg in der Ukraine an sein historisches Ende kommen", schreibt der Direktor am Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn in einem Beitrag für das Portal "feinschwarz" (Mittwoch). Die Unterstützung des Moskauer Patriarchen Kyrill I. für die Invasion Russlands im Nachbarland habe selbst bei Bischöfen und Metropoliten der russischen Kirche große Kritik hervorgerufen, so Oeldemann. Diese "prophetischen Stimmen" führten vor Augen, dass auch innerhalb der Orthodoxie das sehr enge Verhältnis zwischen Staat und Kirche "sich kaum noch als zukunftsfähig erweisen dürfte".

Die Positionierung Kyrills zum Ukraine-Krieg führe zu der Schlussfolgerung, "dass sich die Russische Orthodoxe Kirche derzeit in jenem 'Goldenen Käfig' befindet", in dem sie während der Zarenzeit gefangen gewesen sei, schreibt Oeldemann weiter. Die orthodoxe Kirche sei in Russland "äußerlich protegiert und geschützt, aber innerlich gefangen und unfrei". Kyrills Vorgänger, Patriarch Aleksij II., der die russische Kirche durch die Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion führte, habe immer wieder davor gewarnt, sich erneut in eine solche Situation zu begeben. "Wie berechtigt seine Mahnung war, zeigt sich nun angesichts des Krieges", so Oeldemann.

Patriarch Kyrill: Ukraine-Krieg sei "metaphysischer Kampf" gegen das Böse

Nach Ansicht des Ökumenikers könnte der Krieg dazu beitragen, dass sich die orthodoxe Kirche in der Ukraine  eine. Es gehöre zu den "tragischen Momenten der Geschichte", dass nun Vladimir Putin dieses Ziel erreichen könnte, das weder Patriarch Kyrill noch Patriarch Bartholomaios gelungen sei. "Leider sind die Opfer, die das ukrainische Volk dafür zahlen muss, zu groß, um sich über diese (aufgrund der gemeinsamen Ablehnung der russischen Aggression) sich abzeichnende Annäherung unter den orthodoxen Ukrainern freuen zu können."

Patriarch Kyrill I. hatte die russische Invasion der Ukraine in den vergangenen Wochen als "metaphysischen Kampf" des Guten gegen das Böse gerechtfertigt. Seiner Ansicht nach verteidige Russland die "traditionellen Werte" des Glaubens und der Familie gegen den Einfluss des Westens, der sich etwa in homosexuellen Paraden zeige. Gegen die Befürwortung des Kriegs durch Kyrill hatte es wiederholt Proteste in der russisch-orthodoxen Kirche gegeben. Am Mittwoch hatte sich zudem Papst Franziskus in einer Video-Konferenz mit dem Moskauer Patriarchen über den Krieg ausgetauscht. Franziskus hatte dabei für Frieden in der Ukraine geworben. (rom)