Mehr als eine Formsache

Das Land Berlin hält daran fest. So wird Heiner Koch am kommenden Montag diesen Eid ablegen, bevor er am 19. September sein neues Amt als Oberhirte des Erzbistums Berlin antritt. Zuletzt hatte Kochs Amtsvorgänger Rainer Maria Woelki den Treueid vor vier Jahren geleistet. Es war eine Premiere in der Nachkriegsgeschichte, bedingt durch die komplizierte Geschichte Berlins an der Nahtstelle der politischen Systeme.
Laut Reichskonkordat müssen katholische Bischöfe, "in die Hand des Reichsstatthalters in dem zuständigen Lande bzw. des Reichspräsidenten einen Treueid" leisten. Mittlerweile gilt dies für die jeweiligen Ministerpräsidenten oder bei den Stadtstaaten für die Regierenden Bürgermeister.
Eid vor den Nationalsozialisten
In der Formel heißt es: "Ich schwöre und verspreche, die verfassungsgemäß gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen. In der pflichtgemäßen Sorge um das Wohl und das Interesse des deutschen Staatswesens werde ich in der Ausübung des mir übertragenen geistlichen Amtes jeden Schaden zu verhüten trachten, der es bedrohen könnte".
Für das Bistum Berlin legten erst zwei Bischöfe diesen Eid ab: Nikolaus Bares (1934-35) und Konrad Graf von Preysing (1935-50). Es erfolgte vor den nationalsozialistischen Machthabern. Preysings Nachfolger Wilhelm Weskamm trat 1951 sein Amt bereits unter den Bedingungen der deutschen Zweistaatlichkeit an.
Die Kirche musste ihr Interesse an der Wahrung der Konkordate auch in der DDR bekunden; zugleich aber die neuen politischen Rahmenbedingungen beachten. So hatte das Domkapitel nach der Wahl und vor der Ernennung des neuen Bischofs sowohl die zuständigen Stellen in West-Berlin als auch in der DDR informiert.
Weskamm verzichtete jedoch auf die Eidesleistung. Er begründete dies vorab schriftlich mit der Überlegung, er halte einen Eid "für etwas so Bedeutsames, dass eine Ableistung vor einer westlichen Dienststelle und vor Dienststellen der Deutschen Demokratischen Republik den Eid zur Zeit bagatellisieren und in weiten Kreisen des deutschen Volkes unglaubhaft erscheinen lassen müsste". Dieser Überlegung stimmten sowohl die DDR-Oberen als auch die Verantwortlichen in Bonn und West-Berlin zu.
Weg vorgezeichnet
Für die nachfolgenden Bischöfe - Julius Döpfner (1957-61), Alfred Bengsch (1961-80), Joachim Meisner (1981-89) sowie Georg Sterzinsky (1989-2011) - war damit der Weg vorgezeichnet, da sich bei ihrem Amtsantritt nichts an den politischen Verhältnissen geändert hatte.
In einigen Wochen der neue Arbeitsort von Heiner Koch: Das Erzbistum Berlin mit der deutschen Hauptstadt.
Inzwischen hat der Heilige Stuhl mit den Ländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, von denen große Teile zum Erzbistum Berlin gehören, Staatskirchenverträge abgeschlossen. Im Vertrag mit dem Land Brandenburg heißt es im Schlussprotokoll ausdrücklich: "Das Land wendet Artikel 16 des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom 20. Juli 1933 nicht an."
Im Vertrag mit Mecklenburg-Vorpommern fehlt eine ausdrückliche Regelung; es wird nur allgemein in der Präambel die "Fortgeltung des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom 20. Juli 1933" anerkannt und in Artikel 15 betont: "Die Kirche ist frei bei der Besetzung ihrer Ämter." Nachdem der damalige Erzbischof Woelki 2011 auch in Mecklenburg-Vorpommern die Eidesformel gesprochen hatte, verzichteten das Land und der Heilige Stuhl nun jedoch in einem Vertrag bei seinem Amtsnachfolger darauf.
Familienangehörige und Flüchtlinge
Für Heiner Koch ist die Zeremonie im Berliner Rathaus offenbar keine Formsache. So lud er außer Familienangehörigen und Bistumsvertretern auch einen Protestanten, einen Juden, einen Muslim sowie eine syrische Flüchtlingsfamilie zu der Feierlichkeit ein. Sie stehen für die Schwerpunkte, die Koch über seine innerkirchlichen Aufgaben hinaus setzen will.