Darf das Glaubensbekenntnis durch ein Lied ersetzt werden?

Pro und Contra: Credo-Lieder in der Messe

Veröffentlicht am 17.02.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kirche

Bonn ‐ In vielen Gemeinden wird in der Messe das Credo durch ein Lied ersetzt. Das führt zu einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben, meint Volontär Roland Müller. Sein Kollege Felix Neumann widerspricht.

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Pro: Wer singt, betet doppelt!

Die Antwort auf die Frage, ob Credo-Lieder in der Messe gesungen werden dürfen, ist eindeutig: Im Messbuch wird in der letzten Rubrik unter dem Text des Apostolischen Glaubensbekenntnisses ausdrücklich erwähnt, dass das Credo in der Messe nicht die einzige Möglichkeit ist, den Glauben der Gemeinde auszudrücken. Das Glaubensbekenntnis kann durch ein entsprechendes Lied ersetzt werden. Von oberster vatikanischer Autorität ist der Einsatz von Credo-Liedern also genehmigt. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass sie nur "ausnahmsweise" anstelle der überlieferten Glaubensbekenntnisse eingesetzt werden dürfen. Das Credo solle der "Regelfall bleiben".

Die Realität in vielen Pfarreien ist jedoch eine andere: In zahlreichen Gottesdiensten ist ein Glaubenslied anstatt des Credo die Regel. Ein Grund für die Bevorzugung dieser Form mag sein, dass die Gläubigen lieber singen als sprechen – ganz nach dem Augustinus zugeschriebenen Motto: "Wer singt, betet doppelt." Ein Lied mit ansprechender Melodie nimmt die Menschen nun einmal mehr mit, als das Aufsagen eines alten kirchlichen Textes aus dem 5. Jahrhundert. Hinzu kommt, dass das Glaubensbekenntnis auch als Hymnus verstanden werden kann und damit eine Nähe zum Lied besitzt. Die Stärke der Credo-Lieder liegt darin, dass sie meist aus dem 20. oder 21. Jahrhundert stammen und die Sprache der heutigen Menschen sprechen. Dadurch können sie die Gewohnheit der formelhaften Glaubensbekenntnisse durchbrechen und so zu einer wirklichen Beschäftigung mit den Inhalten des Glaubens anregen.

Um diesen Vorteil wissen auch die deutschen Bischöfe. Sie unterstützen das Singen von Credo-Liedern durch die Aufnahme in das Gotteslob. Im offiziellen Gebet- und Gesangbuch der deutschsprachigen Diözesen finden sich Gesänge, die das Glaubensbekenntnis ersetzen können – etwa das bekannte Lied "Gott ist dreifaltig einer" der Kirchendichterin Maria Luise Thurmair. Diese Credo-Lieder sind aus der musikalischen Tradition der deutschen Kirche nicht mehr wegzudenken. Auch, weil sie wie das Lied von Thurmair eine wichtige ökumenische Brücke zu den Protestanten darstellen. Denn in den evangelischen Kirchen werden zum Glaubensbekenntnis ebenfalls oft Lieder gesungen.

Von Roland Müller
Der gro?e Konvertit
Bild: ©jorisvo/Fotolia.com

Der heilige Augustinus (354-430) war Bischof von Hippo und ist einer der vier großen lateinischen Kirchenväter. Ihm wird der Ausspruch zugeschrieben: "Wer singt, betet doppelt."

Contra: Credo bewahrt Glaube der ganzen Kirche

Die Glaubensbekenntnisse, das Apostolische wie das Große, verbinden Christen über Zeit, Raum, Sprachen und Konfessionen. Auf knappem Raum trägt das Credo zusammen, was die Kirche glaubt. Auch wenn es im Detail – sei es bei der "katholischen" Kirche, sei es beim "filioque" – konfessionelle Kontroversen gibt: Dass die Kirche trotz aller Spaltungen über Jahrtausende diesen gemeinsamen Glauben so weitgehend bewahrt hat, und dass wir heute noch den Glauben gemeinsam mit der alten Kirche bekennen, ist ein großes Zeichen der Einheit. Heute wie damals gehört es zum Auftrag der Kirche, diesen Glauben zu bewahren und weiterzutragen. Die gebundene, festgefügte Form hilft genau dabei. Das feierliche gemeinsame Bekenntnis  bewahrt diesen Glaubensschatz, nicht nur in Büchern und Katechismen, sondern im Bewusstsein und im Herzen der Gläubigen.

Der Text ist sperrig – beim Großen noch mehr als beim Apostolischen – und nicht ohne weiteres selbsterklärend. Da mag es naheliegen, ihn durch ein Lied zu ersetzen, das Teile des Credos aufgreift, meist das Bekenntnis zum dreieinen Gott. Solche Lieder haben ihre Berechtigung – aber sie können nicht die gemeinsame Vergewisserung auf den gemeinsamen Glauben ersetzen: Der Glauben der Kirche ist nicht der Glaube eines einzelnen oder einer einzelnen Gemeinde, sondern tatsächlich der ganzen Kirche. Genauso wie die Feier der Eucharistie auch nicht die Feier eines einzelnen oder nur einer einzelnen Gemeinde ist, sondern die Feier der ganzen Kirche.

Ein Lied als Credo, anstatt des Credos, mag daher zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine bestimmte Gemeinde eine passende Form sein, sich Teilen ihres Glaubens zu vergewissern. Und es gibt ja genügend Raum in der Liturgie, solche Lieder zu singen. Und warum nicht die Tradition eines Credo-Lieds an Gottesdiensten außerhalb der Sonntage und Hochfeste pflegen, an denen das Credo nicht vorgeschrieben ist? Aber ein Lied greift in der Regel doch nur bestimmte Teile des Bekenntnisses auf, stellt eine mehr oder weniger willkürliche eigene Auswahl gegen die Sammlung der Tradition; es stellt das Partikulare heraus gegen ein gemeinsames Bekenntnis, das alle Christen verbindet. Das ist ein Wert, den man nicht aufgeben sollte zugunsten einer musikalischen Auflockerung der Liturgie.

Von Felix Neumann