Experten für Beteiligung der Basis an Entscheidungen der Kirche

"Sandkastenspiele reichen nicht aus"

Veröffentlicht am 02.09.2016 um 17:20 Uhr – Von Andreas Otto (KNA) – Lesedauer: 
Laien

Mülheim an der Ruhr ‐ Nach Aufdeckung des Missbrauchsskandals setzte die katholische Kirche einen "Gesprächsprozess" in Gang. Der endete im Jahr 2015. Wie geht es nun weiter mit dem Dialog zwischen Bischöfen und Laien?

  • Teilen:

Wenn es in der katholischen Kirche doch auch so laufen könnte wie beim Gotthard-Tunnel. Der mit 57,1 Kilometern längste Eisenbahntunnel der Welt kostete satte elf Milliarden Euro - und wurde doch gebaut. Denn dem Mega-Projekt stimmten die Schweizer - gemäß ihrer basisdemokratischen Tradition - 1992 und 1998 in zwei Referenden zu. Das Volk mitnehmen und an der Entscheidung beteiligen - das ist ein Weg, den sich der  Wuppertaler Theologe Michael Böhnke noch viel mehr für die Kirche vorstellen könnte. Doch hier geht es nach seinem Eindruck oft wie bei "Stuttgart 21" zu, wo sich viele Menschen nicht in die Beschlüsse eingebunden fühlen und der "Wutbürger" geboren wurde.

Ob Zölibat oder Frauenpriestertum, größere Pfarreien oder Sexualmoral - Reizthemen auf allen Kirchenebenen rufen nach allseits akzeptierten Lösungen. Bei einer Tagung am Donnerstag und Freitag in Mülheim an der Ruhr plädierten Böhnke und andere Kirchenexperten dafür, dass die Bischöfe das Kirchenvolk an den Beratungen und Beschlüssen der Kirche intensiv beteiligen. Oder in Kirchendeutsch ausgedrückt: Eine synodale Organisationsform schaffen.

Linktipp: Overbeck und Sternberg: Mehr Mitwirkung der Laien

Bei einer Fachtagung plädierten der Ruhrbischof und der ZdK-Präsident für eine stärkere Mitwirkung der Laien an kirchlichen Entscheidungsprozessen. Doch Overbeck zog auch Grenzen.

Die Weichen dafür wurden in Deutschland bereits vor sechs Jahren gestellt. Als 2010 der Missbrauchsskandal die Kirche erschütterte, startete sie auf Bundesebene einen mehrjährigen Gesprächsprozess mit fünf großen Foren, um Vertrauen zurückzugewinnen. Bischöfe und Laien diskutierten munter und ließen dabei heiße Eisen nicht aus. Wie mit wiederverheirateten Geschiedenen umgehen? Oder mit eingetragenen Lebenspartnerschaften? Nach dem letzten Treffen in Würzburg im vergangenen Jahr wurde etwa das kirchliche Arbeitsrecht verändert, wonach Menschen in Zweitehe oder homosexueller Partnerschaft mit Ausnahme des Verkündigungsdienstes bei der Kirche arbeiten können.

Wie geht es nun weiter?

Aber wie geht es nun weiter mit dem Dialog?, fragten die Tagungsteilnehmer. Zunächst mal gibt es den festen Willen, weiter im Gespräch zu bleiben. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, drängt darauf, "das schlichte Problem von Macht und Teilhabe" zu lösen. Mit Blick auf Dauerkontroversen wie um den Zölibat sagte er: "Wir müssen das Haus nach innen aufräumen, damit wir nach außen wirken können." Zwar gebe es in unterschiedlicher Form in Pfarreien und Bistümern synodale Teilhabestrukturen, nicht aber auf Bundesebene, bedauerte er.

Linktipp: Der Gesprächsprozess

Nach fünf Jahren ist der Gesprächsprozess der Deutschen Bischofskonferenz am 11. und 12. September 2015 in Würzburg zu Ende gegangen. Die Themenseite gibt einen Überblick über die katholisch.de-Berichterstattung über den Prozess.

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck kann das Anliegen verstehen. Statt dass die Kirche immer wieder ihre Moral wiederholt und immer weniger Gehör findet, könne sie "zu einer lernenden Organisation werden, die Nichtübereinstimmung kommunikativ in sich aufnimmt" und "den Widerstreit diskursiv und konstruktiv im Innern kultiviert". So wie die frühe Kirche mit ihrer synodal-dialogischen Tradition. Overbeck stellt aber auch klar, dass die Kirche keine Basisdemokratie sei und die Letztverantwortung dem Bischof zukomme - gerade bei Konflikten.

Strukturen der Beteiligung und der Mitverantwortung

Die Münsteraner Sozialethiker Marianne Heimbach-Steins wies darauf hin, dass die Kirche von der Gesellschaft Strukturen der Beteiligung und der Mitverantwortung erwarte. Diese Maßstäbe müsse sie dann aber auch bei sich selbst umsetzen. Gläubige sollten nicht nur um Rat gefragt, sondern an Entscheidungen beteiligt werden. "Sandkastenspiele reichen nicht aus." Böhnke unterstrich die Vorzüge von Synoden als Möglichkeit "der Suche und der Entscheidungsfindung". Eine Synode dürfe aber nicht nur punktuell wie zuletzt im Bistum Trier stattfinden, sondern müsste als ständige Einrichtung angelegt sein. Und könnte ihr nicht auch ein Recht auf Bischofswahl zukommen?, fragte der Theologe.

Für den Stuttgart-Rottenburger Bischof Gebhard Fürst kann die Kirche nicht mehr hinter den Weg des Dialogs zurück. Auch unter den deutschen Bischöfen habe es bis 2010 viele Tabus gegeben. Als konkretes Ergebnis des Gesprächs lobte der Bischof neben dem veränderten Arbeitsrecht auch die Maßgabe, Frauen auf Führungsposten zu bringen. In seiner Diözese betrage die Quote schon 25 Prozent - viel höher als bei den  Dax-Konzernen mit 2,5 Prozent.

Von Andreas Otto (KNA)